Esther Grau

inspired by dreams

Traumhafte Tweets im Dezember 2015

Dezember31

 

Zum Jahresabschluss

Dezember29

Über aktuelle Schreibprojekte, den Umgang mit Rezensionen und den Literaturbetrieb schreibt Annette von Droste-Hülshoff gegen Jahresende 1839 folgende Zeilen an Wilhelm Junkmann, einem Freund und Kollegen der “Heckenschriftsteller-Gesellschaft” aus Münster:

“Ein Schriftsteller ums liebe Brot ist nicht nur Sklave der öffentlichen Meinung, sondern sogar der Mode, die ihn nach Belieben reich macht oder hungern läßt, und wer nicht gelegentlich sein Bestes und am tiefsten Gefühltes, Überzeugung, Erkenntnis, Geschmack, verleugnen kann, der mag sich nur hinlegen und sterben, und der Lorbeer über seinem Grabe wird ihn nicht wieder lebendig machen. […]

Ich bin in diesem Sommer sehr fleißig gewesen und habe an dem “Geistlichen Jahr” dermaßen nachgearbeitet, dass ich bei meiner Abreise mit der laufenden Zeit gleich war und dem Jahresschluß bedeutend vorzueilen hoffte. Seitdem bin ich in Rückstand gekommen, teils war ich krank, teils anderweitig verhindert, hatte allmählich auch einen babylonischen Turm von unbeantworteten Briefen aufwachsen lassen, der zwar nicht bis in die Wolken, aber doch fast über meinen Mut reichte. Mir wurde außerordentlich schwarz vor Augen! Jetzt trage ich davon ab, als gälte es das tägliche Brot und fange schon an Grund zu sehen. So denke ich bald wieder ans eigentliche Werk zu kommen und dann mit Gottes Hülfe den Zyklus vor den Silvestertagen geschlossen zu haben. Es ist ein größeres Unternehmen als ich gedacht  […]

Für spätere Arbeiten habe ich noch keine Pläne und will auch nicht daran denken, bevor diese beendigt, da es sich immer in mir gestellt hat, dass sie nur zu einer Zeit erscheinen darf, wo mein ganzes irdisches Streben mir wohl töricht erscheinen wird und dieses Buch vielleicht das einzige ist, dessen ich mich dann freue. Darum will ich auch bis ans Ende meinen ganzen Ernst darauf wenden, und es kümmert mich wenig, dass manche der Lieder weniger wohlklingend sind als die früheren. Dies ist eine Gelegenheit, wo ich der Form nicht den geringsten nützlichen Gedanken aufopfern darf. Dennoch weiß ich, dass eine schöne Form das Gemüt aufregt und empfänglich macht und nehme so viel Rücksicht darauf, als ohne Beeinträchtigung des Gegenstandes möglich ist, aber nicht mehr. […]

In der Kölner Zeitung stand neulich eine Rezension meiner Gedichte, die mir Schücking schickte; sie kann mich nicht eben stolz machen. es ist doch auffallend, wie der Gegenstand anhaltender Beschäftigung auf den Menschen wirkt! Vor einem Jahre würde mich dieses Blatt wahrscheinlich verstimmt haben, jetzt kam ich mir wie eine Tote vor und habe es ohne den mindestens Eindruck aus der Hand gelegt.

Ich wollte, das könnte so bleiben, aber mit dem letzten Federstriche am “Geistlichen Jahr” wird das irdische Jahr wohl alle seine wilden Quellen wieder über mich strömen lassen. Möge mir nur der allgemeine Eindruck bleiben! Auf den partiellen rechne ich nicht, dazu ist mein Inneres noch lange nicht mürbe genug. Beten Sie für mich, dass ich nicht gar zu unreif weggenommen werde! Der heftige Blutandrang nach dem Kopfe nimmt von Jahr zu Jahr mehr überhand, und ich zweifle kaum an einem plötzlichen Ende. Doch darf ich plötzlich nennen, was ich Jahre lang voraus sehe?”

Brief aus Rüschhaus an Wilhelm Junkmann vom  17. November 1839

Biedermeier-Weihnachten auf Burg Hülshoff anno 1840

Dezember18

Die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff schreibt eine Weihnachtsanekdote von Burg Hülshoff. Die Kinder sind die Neffen und Nichten der Annette von Droste-Hülshoff, Kinder ihres Bruders Werner. Lest, was man sich damals schenkte:

Weihnachtsbaum_web

„Weihnachten waren die Kinder ganz glückselig, –Heinrich bekam einen ganzen Jagdapparat – ein neues Gewehr, Jagdtasche, Pulverhorn – Hagelbeutel – Peitsche und Kuppel – sonst Kleidungsstücke – Anna ein altes goldnes Ührchen, und auch Kleidungsstücke. – eine schwarze Kaputze mit Pelzrand, – einen einfachen grauen Winterhut, Pelzhandschuh – Schnupftücher, – Nachthauben – ein tägliches Kleid – ein Hemd Schürzen – Mäxchen und die Uebrigen Alle viel Kleidungsstücke, aber doch auch Spielsachen, worunter ein Kasten mit Klötzchen zum Bauen, und zwey Kinderflinten jetzt eine lächerlich wichtige Rolle spielen. – denk Dir, jeden Abend wird ein großes Schloß gebaut, was dann Heinrich, Max und Werner [Bruder der Droste] a la tete mit den Flinten niederschießen, es geht sehr langsam, da die Klötzchen so schwer sind, daß jedes wohl zwanzig mahl muß getroffen werden, eh es nur auf die Seite rückt, – dann ein lautes Geschrey ‚ er hat sich bewegt! er hat sich bewegt!‘ oder ‚er hat sich rund umgedreht!‘ – ich muß zuweilen vor Lachen aus dem Zimmer gehen, wenn ich meinen soliden Bruder so triumphiren höre, als wenn er wenigstens eine Sau geschossen hätte“.

Quelle: Brief der Annette von Droste-Hülshoff vom 5.1.1841 aus Hülshoff an These von Droste-Hülshoff in Meersburg

Literatour Heidelberg mit Joseph von Eichendorff

Dezember11

Eichendorff-Denkmal

“Ein naher Bach plauderte verwirrend in seine Gedanken herein, die Wipfel über ihm rauschten einförmig immer fort und fort; so schlummerte er endlich ein un dder Mond warf seine bleichen Schimmer über die schöne wüste Gestalt wie über die Trümmer einer zerfallenen verlornen Jugend.

Da träumte ihm, er stände auf dem schönen Neckargebiete vor Heidelberg. Aber der Sommer war vorbei, die Sonne war lange untergegangen, ihn schauerte in der herbstlichen Kühle. Nur das Jauchzen verspäteter Winzer verhallte noch, fast wehmütig, in den Tälern unten, von Zeit zu Zeit flogen einzelne Leuchtkugeln in die Luft. Manche zerplatzte plötzlich in tausend Funken und beleuchtete im Niederfallen langvergessene, wunderschöne Gegenden. Auch seine ferne Heimat erkannte er darunter, es schien schon alles zu schlafen dort, nur die weißen Statuen im Garten schimmerten seltsam in dem scharfen Licht.

Schloss Heidelberg

Dann verschlang die Nacht auf einmal alles wieder. Über die Berge aber ging ein herrlicher Gesang, mit wunderbaren, bald heitern, bald wehmütigen Tönen. Das ist ja das alte, schöne Lied! dachte er und folgte nun bergauf, bergab den Klängen, die immerfort vor ihm herflohen. Da sah er Dörfer, Seen und Städte seitwärts in den Tälern liegen, aber alles so still und bleich im Mondschein, als wäre die Welt gestorben. So kam er endlich an ein offenes Gartentor, ein Diener lag auf der Schwelle ausgestreckt wie ein Toter. –

»Desto besser, so schleich’ ich unbemerkt zum Liebchen«, sagte er zu sich selbst und trat hinein. Dort regte sich kein Blättchen in allen Bäumen den ganzen weiten Garten entlang, der prächtig im Mondschein glänzte, nur ein Schwan, den Kopf unter dem Flügel versteckt, beschrieb auf einem Weiher, wie im Traume, stille einförmige Kreise; schöne nackte Götterbilder waren auf ihren Gestellen eingeschlafen, daß die steinernen Haare über Gesicht und Arme herabhingen. –

Als er sich verwundert umsah, erblickte er plötzlich ihre hohe und anmutige Gestalt verlockend zwischen den dunklen Bäumen hervor. »Geliebteste!« rief er voll Freude, »dich meint’ ich doch immer nur im Herzengrunde, dich mein’ ich heut!« – Wie er sie aber verfolgte, kam es ihm vor, als wäre es sein eigner Schatten, der vor ihm über den Rasen herfloh und sich zuletzt in einem dunkeln Gebüsch verlor. Endlich hatte er sie erreicht, er faßte ihre Hand, sie wandte sich. – Da blieb er erstarrt stehen – denn er war es selber, den er an der Hand festhielt. – »Laß mich los!« schrie er, »du bist’s nicht, es ist ja alles nur ein Traum!« – »Ich bin und war es immer«, antwortete sein gräßliches Ebenbild; «du wachst nur jetzt und träumtest sonst.« – Nun fing das Gespenst mit einer grinsenden Zärtlichkeit ihn zu liebkosen an. Entsetzt floh er aus dem Garten, an dem toten Diener vorüber, es war, als streckten und dehnten sich hinter ihm die erwachten Marmorbilder, und ein widerliches Lachen schallte durch die Lüfte. –

Als er atemlos wieder im Freien anlangte, befand er sich auf einem sehr hohen Berge unter dem unermeßlichen Sternenhimmel. Aber die Sterne über ihm schienen sich sichtbar durcheinander zu bewegen; allmählich wuchs und wuchs oben ein Brausen, Knarren und Rücken, endlich flog der Mond in einem großen Bogen über den Himmel, die Milchstraße drehte sich wie ein ungeheures Feuerrad, erst langsam, dann immer schneller und wilder in entsetzlichem Schwunge, daß er vor Schwindel zu Boden stürzte. Mitten durch das schneidende Sausen hörte er eine Glocke schlagen, es war, als schlüg’ es seine Todesstunde. Da fiel ihm ein, daß es eben Mitternacht sei. Das ist’s auch, dachte er, da stellt ja der liebe Gott die Uhr der Zeit. – Und als er wieder aufblickte, war alles finster geworden, nur das Rauschen eines weiten Sternenmantels ging noch durch die Einsamkeit des Himmels, und auch den Gesang, als sängen Engel ein Weihnachtslied, hörte er wieder hoch in den Lüften so über alle Beschreibung freudig erklingen, daß er vor tiefer Lust und Wehmut aufwachte.”

Aus: Viel Lärmen um Nichts (1832)

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Traumhafte Tweets im November 2015

Dezember1

 

Blickfang: Weltformel gefunden?

November23

Woraus besteht das Universum?

Das Heidelberger Instiut der Physiker hat sich diese Leitfrage auf die Fenster seiner Fassaden geschrieben. Ob den Wissenschaftlern bewusst ist, dass eine mögliche Antwort praktisch vor der Tür steht?

Die Widmung der Heidelberg Universität  in Gestalt der Installation Dem lebendigen Geistbefindet sich direkt vor dem Institut.

Die Antwort ist manchmal eben nur eine Frage der Perspektive.

 

Universum-Geist_web

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Traumhafte Tweets im Oktober 2015

November1

 

Weitere Sammlungen hier.

Start der Leserunde bei Lovelybooks: 26.10.15

Oktober21

So, die Gewinner der Verlosung stehen fest und bekommen bald ihr Buch vom Verlag: Herzlichen Glückwunsch!

Über das rege Interesse am Buch habe ich mich sehr gefreut und hoffe, wir lesen uns alle ab nächste Woche bei Lovelybooks – ab Montag (26.10.) geht es los. Hier noch einmal der Link zur Leserunde.

Ab nächste Wochen machen wir es uns dort zusammen nett in unserem virtuellen literarischen Salon und plaudern über Annette von Droste-Hülshoff, die Grimms und alles, was euch an “Grimms Albtraum” interessiert. Wir fangen ganz locker an, also kommt vorbei. Das geht auch, wenn ihr bei der Verlosung nicht mitgemacht habt oder bis dahin noch nicht allzu weit mit der Lektüre seid. Ich freu mich auf euch und eure Beiträge!

 

Blickfang: Buchmesseimpressionen #fbm15

Oktober17

Überwältigend viel los in den Gängen der Buchmesse …

fbm15_volldaswildeleben

Der rote Teppich fällt manchmal etwas kürzer aus als gedacht:

fbm15_roterteppichkurz

Ha! Wird da etwa zur Bücherverbrennung angestiftet?!

fbm15_Bücherverbrennung

… und das heimliche Motto der Buchmesse:

fbm15-Willkommeninderrealität

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Mit Frau Droste auf die Buchmesse – und um die Welt #fbm15

Oktober16

Wenn sie das noch erlebt hätte – Frankfurter Buchmesse! Die ganze Welt der Literatur in Reichweite!

Also sind wir zusammen losgezogen …

fbm15-Droste1

Gerne wäre Annette von Droste zu Hülshoff mehr gereist, aber zu Postkutschenzeiten war das ja nicht so einfach. Auf der #fbm15 ist es ganz leicht und ein Geschenk, einmal um den Globus zu lesen.

fbm15_Globus

Ein Besuch im Salon Weltempfang wäre nach ihrem Geschmack gewesen. Die Übersetzer sprachen in ihrer Borderline-Runde über Grenzverläufe der Sprache. Wir haben gelernt: Manche Übersetzer lesen rational, andere körperlich und dritte spirituell – am Ende braucht es wohl alle drei Teile, um in eine Geschichte einzutauchen und sie über Sprachgrenzen zu bringen.

fmb15_Weltsalon Borderline

Weiter gings auf der literarischen Länderreise in die Schweiz. Das Thurgau kannte Frau Droste dank ihres Schwagers ja schon und von der Meersburg am Bodensee aus blickte sie auf die Schweizer Alpen. Zum Schauplatz ihres Versepos Das Hospiz auf dem Großen Sankt Bernhard hat sie es aber leider nie geschafft – so this is swiss:

fmb15_schweiz

Wenn wir schon unterwegs sind, soll es aber auch noch viel weiter und bis an die Enden der Welt gehen.

fbm15_Mexico

Natürlich auch ins diesjährige Gastland der Buchmesse – nach Indonesien.

Der Gastland-Pavillon empfängt seine Besucher mit einer Hommage an Goethe.

fbm15_DichtersLand

Von der anderen Seite gelesen antwortet Indonesien mit dem Zitat eines eigenen Schriftstellers:

fbm15_warum

Der Pavillon ist sehr poetisch gestaltet, eine Installation für alle Sinne und unbedingt sehenswert (eine Oase im Rummel der Buchmesse!):

fbm15_Indonesienpavillon

fbm15-Indonesienmusik

Die Zitate ihrer indonesischen Kollegen hätten Frau Droste wohl aus dem Herzen gesprochen:

fbm15-Indonesienpoem

fbm15-Indonesien_history

 

 

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