Wir sehen uns in Leipzig!
Ihr findet Frau Droste und mich am Buchmessesonntag ab 12.00 Uhr beim acabus Verlag (Halle 5, Stand D504).
Viel Spaß auf der #lbm16!
Nachtschicht für die Dichterin
Annette von Droste-Hülshoff schickt Levin Schücking einige Gedichte, die er sich für seine Arbeit erbeten hat, mit folgendem Kommentar über die widrigen Umstände ihrer Entstehung:
“Machen Sie damit, was Sie wollen, d. h. drucken Sie es oder nicht; ich mache gar keine Prätensionen mit diesen Gedichten, die in einem Wirrwarr gemacht sind, wie ich desgleichen nie erlebt und nie wieder zu erleben hoffe. Seit zwei Monaten, wo der Onkel so weit hergestellt ist, dass er täglich einige Stunden Besuch ertragen kann, ist’s hier zum schwindligwerden. Alle Tage 3–4 Besuche und jeder 3–4 Mann stark: neun verwandte Familien, vier benachbarte, nebst diversen Pastoren, die sich alle einbilden, jede Woche wenigstens einmal nachsehn zu müssen, wie die Besserung fortschreitet. Der Onkel hat’s bequem: sobald ihm der Lärm zu arg wird, zieht er sich als Rekonvaleszent in seine Privatzimmer zurück, wohin niemand folgen darf; aber Mama und ich führen ein wahres Schenkwirtsleben – wir liegen oft noch im Bette, wenn schon ein Wagen anrollen kömmt, und alle bleiben bis zum späten Abend. Denken Sie, Mama’n bekömmt dies Leben à merveille; sie ist so kregel wie ein Bienchen geworden, und wenn ich an Rüschhaus denke, wo ihr eigentlich jeder Besuch zu viel war, so steht mir der Verstand still.
Ich hingegen kann’s gar nicht aushalten; ich bin den ganzen Sommer leidend gewesen und muss mich täglich über Nacht aufrappeln. Wenn ich mich darin zugäbe, könnte ich jeden Abend bitterlich weinen. […]
Ich habe die Gedichte abends im Bette machen müssen, wenn ich todmüde war; es ist deshalb auch nicht viel Warmes daran, und ich schicke sie eigentlich nur, um zu zeigen, dass ich für Sie, liebster Levin, gern tue, was ich irgend kann. Zum Durchfeilen ist mir nun vollends weder Zeit noch Geistesklarheit geblieben, doch sind mir, wie Sie sehen, unter dem Schreiben allerlei Varianten eingefallen, unter denen Sie – falls Sie die Gedichte aufnehmen, was ich aber, aufrichtig gesagt, nicht erwarte – wählen mögen.”
Abbenburg, 25. August 1845
Winterpoesie
Aus einem Brief der Annette von Droste-Hülshoff an Levin Schücking:
“Meine Gedichte werden denn doch gegen Ostern erscheinen können. Bis vor kurzem habe ich wenig daran getan, aber seit es draußen kalt und kotig geworden ist, habe ich mich in meine Winterpoesie gehüllt; es ist doch sonderbar, dass zum Dichten eigentlich schlechtes Wetter gehört, ein neuer Beweis, dass nur die Sehnsucht poetisch ist und nicht der Besitz.”
Rüschhaus, 10.10.1842
Traumhafte Tweets im Februar 2016
In die Dehnungsfugen der Zeiten atmen.
— Anna Log (@_Anna_Log) February 27, 2016
Die Kollegen stehen zu dritt mit ihren Riesen-E-Zigaretten im Raucherraum.
Sieht aus wie ein Blockflöten-Trio.
Nur leiser.— Der Fruehlix (@fruehlix) February 22, 2016
Andere Mütter haben auch schöne Schrauben.
— Indi_ (@mosphare) February 16, 2016
Du sollst kein Zeugnis falsch ablegen.
(Brief des Paulus an den Praktikanten in der Personalabteilung)— m::we ️ (@beispielwiese) February 16, 2016
An einem Ästhetick leiden.
— leonceundlena (@leonceundlena) February 16, 2016
Steigende Ausschaltquoten, das wär doch was nettes.
— dessiso (@dessiso) February 15, 2016
Der Nachbar hält Tauben in seiner Dachgeschisswohnung.
— Enno von Friedland (@vonFriedland) February 15, 2016
Die Wege entstehen im Umblättern.
— Peter Plener (@PeterPlener) February 15, 2016
manchmal, während des lesens ertappe ich mich wie ich gedankenverloren in buch starre.
das ist wenn das buch mich liest.— [ˈʀuːə] (@RuheSelbst) February 14, 2016
Hin & wieder schaue ich vom Buch auf, um das unwirkliche Leben zu betrachten.
— ƒℓє∂єяzσмвιє® (@flederzombie) February 13, 2016
Dorf. Kein Mensch auf der Straße. Kaffkaesk.
— kla4spieler (@kla4spieler) February 8, 2016
Freundlich grüßend weht die Nachbarskatze vorbei, auf der Jagd nach einem der Fische in den Baumkronen.
— Pengoblin (@Pengoblin) February 8, 2016
Wer über den Tellerrand schaut, sieht wesentlich mehr von der schmutzigen Tischdecke.
— Kaffeecup (@kaffeecup) February 7, 2016
Freiland Erwartungshaltung
— Diplom_Texter (@wortgehaltig) February 7, 2016
… und der Prinz stürzte in die Tiefe, weil Rapunzel-Schantall sich für die billigen Extensions entschieden hatte.#verdrehtemärchen
— Bleu de Q (@synapsenkotze) February 5, 2016
Ungeahnte Möglichkeiten durch Autokorrektur. Heute:
"Bringst du einen Eisbärsalat mit?"
— Rottstockerin (@rottstockerin) February 5, 2016
Und dann schreibt das Leben diese Seiten, an die du Eselsohren machst, um sie immer wieder in Erinnerung zu bringen.
— Mrs. Pan (@Traum_Sammlerin) February 4, 2016
Denn sie tun nicht, was sie wissen.
— ich bin lauter (@ichbinlauter) February 4, 2016
Immer wenn jemand sich stolz mit seinem akademischen Titel vorstellt, breite ich die Arme aus:
"Seepferdchen. Schon beim 3. Mal geschafft!"
— Outlaw Pete (@DonOutlawPete) February 4, 2016
"Das System kann Tortendiagramme und Balkendiagramme."
"Also wir nennen die Blechkuchendiagramme."
— Hermes Trismegistos (@hermes3s) February 4, 2016
I put Ratzen in Matratzen…
— Enno von Friedland (@vonFriedland) February 4, 2016
Heute im Regen stehen mit dem Schnee von gestern
— Die Wortzeugkiste (@wortzeugkiste) February 1, 2016
Autoren helfen
Geschichten vermögen viel – sie unterhalten, inspirieren, trösten … Sie bereichern einfach unser Leben. Manchmal können sie es sogar ganz konkret besser machen – und nicht nur das eigene: Mit dem Projekt “Autoren helfen” haben sich Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengeschlossen, um soziale und humanitäre Hilfe zu leisten, aktuell für Flüchtlinge.
Es gibt ganz verschiedene Aktionen und Projekte, z. B. Benefiz- und Tandemlesungen mit Flüchtlingen, Autorenlauf und signierte Bücher auf Spendenbasis.
So könnt ihr drüben auch “Grimms Albtraum” gegen Spende erwerben und bekommt dann ein persönliches Exemplar mit Signatur nach eigenen Wünschen von mir zugeschickt. Oder seht euch bei den Kollegen um – da findet ihr Lesestoff für jeden Geschmack.
Wer glaubt, Bücher machen die Welt zu einem besseren Ort, kann das jetzt beweisen. Es gab nie einen besseren Grund zu lesen.
Kölner Karnevalsvergnügungen anno 1826
Im Jahr 1826 stürzte sich Annette von Droste-Hülshoff in den Kölner Karneval – und schreibt ihrer Schwester davon:
“Freylich habe ich lange nicht geschrieben, liebe Jenny, und habe es auch durchaus nicht gekonnt, von wegen der Carnevalsvergnügungen […]. Cöln ist im Winter äußerst angenehm -ich habe einige Bälle besucht, wo ich aber den Leuten den Aberglauben, daß ich von wegen meiner subtilen Figur gut tanzen müßte, gelassen habe, nämlich dadurch, daß ich gar nicht getanzt habe, als allenfalls nurmahl herum gewalzt, – die Bälle sind hier äußerst brillant, selbst das gewöhnliche Local ist sehr groß, und am Carneval-Montag wurde auf dem Kaufhause, genannt der Gürzenich, getanzt, wo mehrere tausend Menschen auf der Redoute waren, – es war wieder ein großer Aufzug wie in den vorigen Jahren. Der König Carneval hatte sich eine Braut aus dem Monde geholt. – ich werde dir die ganze Sache einmal mündlich erklären, schriftlich ist es nicht gut möglich. – aber das Ding muss ungeheures Geld gekostet haben, unter anderm hat sich der junge Schaaffhausen fünf verschiedene Anzüge machen lassen, die alle äußerst kostbar waren, – drey hat er aber nur zeigen können, die andern beyden, – der Titelnarr und der Ordensnarr, – wurden für anzüglich erklärt, und deshalb unterlassen, es waren auch noch viele kleine Gesellschaften, die herumgingen, unter anderen der Bannerrath, ein alter ehemaliger Rath von Cöln, wo sehr witzige Sache gesagt wurden, und doch ganz ohne Beleidigung – ebenso, ein musikalisches Kränzchen, was allerliebst musicierte und auch nebenbey sehr witzig war – sie sangen und spielten verschiedene sehr muntre Stücke aus den Wienern in Berlin, dann eine höchst lächerliche Kirchenmusik – und zuletzt ein Conzert auf einem Nachtigallpfeifchen mit Instrumentalbegleitung, was sich allerliebst ausnahm, was ich aber übrigens auf meine Schuh schmieren konnte, das macht aber nichts, jeder hat was abgekriegt, und dieses war noch höchst gnädig. “
Traumhafte Tweets im Januar 2016
Sitze mit deutschen Freunden im estnischen Bus, texte mit dem slowenischen Freund und verstehe einmal weniger, wo das Problem ist.
— Hübscherei (@Huebscherei) February 1, 2016
Man muss seine Ideen in die Tarte* umsetzen.
* Zitrone oder Schokolade
— Indi_ (@mosphare) February 1, 2016
*zieht Leere aus der Geschichte*
— Allen (@edwes) January 29, 2016
Denglisch ist ein typisches First Welt Problem.
— Rebel (@rebel_berlin) January 26, 2016
Auf vielen Ebenen gar nichts machen.
— Bambo Krause (@Krausebambo) January 23, 2016
Im Einschlafen aufwachen, weil im Traum das Licht ausging. Innenbilder dauern mich.
— Frau_Wolke (@wolkenloft) January 21, 2016
Etwas aus der Form raten.
— Raubtier den Atem (@freikampf) January 21, 2016
Ich hätte da einen Textvorschlag für diese Schilder, die einen davor warnen unsichere Eisflächen zu betreten: "Draufgehen und draufgehen"
— Rebel (@rebel_berlin) January 20, 2016
Stehe mit Axt und "Free Hacks"-Schild in der Stadt, aber niemand will. Komisch.
— HoppeHü (@ZehnterDritter) January 16, 2016
Ich muss jetzt los und lege das Buch auf meinen Nachttisch, aber die Geschichte nehme ich mit.
— Kalle (@Kropunder) January 14, 2016
was ich noch sagen wollte: Werft die Weihnachtsbäume bitte nicht einfach auf die Straße. Es verwirrt gerade die achtsameren unter den Rüden.
— Wolfram Eilenberger (@WEilenberger) January 11, 2016
Am Ende einer Präsentation zum PowerPoint kommen.
— Indi_ (@mosphare) January 8, 2016
Twitter will die Zeichenzahl auf 10.000 erhöhen. Und alle Norddeutschen so: "Twitter hat ein Zeichenlimit?"
— Jörg Fischer (@thetruemilhouse) January 5, 2016
"Die Nachbarn hören so laut Musik."
"Das können wir noch überbeaten."— Guy Streich (@NurEinePhrase) January 5, 2016
Warum Trübsal Blasen wenn man auch Seifenblasen kann?
— SariRollz (@safarisarina1) January 4, 2016
Ute, mute Kasimir.
— Pustekuchen (@puste_kuchen) January 3, 2016
Weitere Sammlungen wie immer hier.
Silvester- und Neujahrsbriefe
In den Silvesterbriefen hat man zur Zeit der Droste gerne orakelt – vornehmlich über die Entwicklungen des kommenden Jahres im näheren und ferneren Kreis der Bekannten und Verwandten: Welche Ehe hält? Welche Kinder werden geboren? Da das aus heutiger Sicht nicht ganz so spannend ist, stattdessen hier ein Auszug aus dem Neujahrsbrief der Droste an ihre gute Freundin Elise Rüdiger, ebenfalls Schriftstellerin und von der Droste “Lies” genannt. Sie berichtet über den Jahreswechsel 1843/1844 auf der Meersburg am Bodensee. Der erwähnte Brauch des “Neujahr-Abgewinnens” beschreibt übrigens den Versuch, dem anderen bei einer Begegnung als erster ein gutes neues Jahr zu wünschen.
„Viel Glück zum neuen Jahre, mein altes Lies! Das vergangene ist nicht eben zu loben, Ihnen hat es viele äußere und innere Stürme gebracht, mir eine lange Krankheit und doch auch manche Erschütterung, und so steht’s mit fast allen, die uns nahe sind. Möge das begonnene friedlicher sein! Und um ihm den möglichst vorteilhaften Anstoß zu geben, fange ich es mit einem Briefe an diejenige an, von deren Liebe ich seine besten und innigsten Momente erwarte. Nicht wahr, mein Lies? Treu bei Sonnenschein und Schnee, in guten und bösen Tagen? In Leiden uns auf den andern gestützt, die Freuden doppelt genossen, und wenn’s uns beiden schlecht gehn sollte, doch wenigstens noch einander gehabt! So wär’ es doch ein Wunder, wenn zwei so zähe Planken wie wir sich nicht leidlich über dem Wasser halten sollten! Wüßten die Egoisten, welcher große Frieden in der Treue liegt, sie bekehrten sich alle dazu. Treue kann ja nie schaden, selbst die verratene nicht, denn sie gibt ein gutes Gewissen, und somit das Beste, was irgend eine Zeit bringen kann.
Wir leben hier so ruhig voran, ohne sonderliche Abwechslung. Ich sitze wie eine Maus im Loche in meinem Turme und knuspere eine Nuß nach der andern aus Laßbergs Bibliothek, zuweilen mit recht harter saurer Schale, und auch der Kern erinnert mich oft an unsrer lieben Vorfahren rohe Eicheln, aber was tut man nicht der Ehre wegen! Droben geht’s derweil bunt zu, die gelehrten Besuche treten sich fast einander die Schuhe aus, wovon ich mir denn nachher bei Tische erzählen lasse und bis jetzt noch keinen Namen gehört habe, der es mir leid machte, dass ich nicht zur Hand war. Lauter Professoren X., Y. und Z.
Mir fehlt hier gar nichts wie Sie, aber Sie fehlen mir arg, und ich kann kaum ein Dampfboot aus meinem Fenster heranbrausen sehn, ohne in Gedanken nach meiner Lorgnette zu greifen, ob Sie vielleicht auf dem Verdecke stehn. Das alte Lied hat wohl Recht: “Oh, glaubt es mir, die Liebe, sie macht die Menschen dumm!” oder zerstreut vielmehr, löst die Seele vom Leibe und macht zweihundert Stunde[n] zu einem Katzensprung.
Wir haben jetzt Schnee, ich folglich Anlage zum Rheumathismus und habe seit vierzehn Tagen meine lieben Gänge am Strande aufgeben müssen, aber der See liegt unter meinem Fenster, und jeden Nachmittag sind Sie meine Fata Morgana. Altes Lies! Gott segne und erhalte Sie! […]
Ich habe doch jetzt grade die Abschrift meiner Gedichte fertig und wollte mich eben über das “Bei uns zu Lande” hermachen. Aber das kann warten; vorgestern, am Silvestertage, habe ich die letzte Zeile geschrieben und bis Mitternacht gearbeitet, weil es mir ominös schien, nicht mit dem Jahre zugleich abzuschließen. Ich hatte eben mein Tintefaß zugemacht und kleidete mich aus, als die Glocke schlug und unter lautem Hurra eine Gewehrsalve die neue Zeit ein- und mein Manuskript tot- oder ihm Viktoria schoß – was von beidem? Ich sehe dem Erfolg so ruhig entgegen, wie dies ohne Affektation möglich ist und befinde mich “den Umständen nach ganz wohl”.
Gestern verging unter Kirchengehn, Besuchen, Neujahr-Abgewinnen, kurz dem ganzen Einzugstrubel der neuen Epoche, und heute läuft wieder alles im alten Gleise, nur dass ich statt Gedichte Briefe schreibe und Laßberg statt seiner geliebten Pergamente mein Manuskript liest und, da der heutige Stil ihm ganz fremd geblieben ist, den Kopf öfter schüttelt als mir lieb ist. Ich fürchte nicht sein Mißfallen, aber seinen Rat; manche Leute empfinden einen mit einiger Überwindung gegebenen und dann vernachläßigten Rat fast so schlimm als eine Ohrfeige, und ich fürchte, Laßberg gehört zu diesen.
Im Ganzen hat er mich heute belobt, aber schon einige Abänderungen vorgeschlagen, die sehr sehr nach der alten Schule schmecken, und mir nebenbei Gellert als den vollkommensten deutschen Stilisten empfohlen. Sie sehn, wo das hinaus will! Es würde mir überaus leid sein, den ritterlichen alten Herrn zu kränken, aber in ganz veraltete Formen kann ich mich doch unmöglich zurückschrauben lassen und sehe somit dem Ende der Lektüre, wo, wie er sagt, wir “das Ganze gemeinschaftlich durchnehmen wollen”, mit großem Unbehagen entgegen.
Sie sehen, lieb Lies, anno 44 fängt bei mir mit einem Paar Stirnrunzeln an: entweder Verdruß im Hause, oder die Kritiker auf dem Nacken. Gott helfe mir durch Scilla und Charibdis!“
Brief aus Meersburg vom 2. Januar 1844 an Elise Rüdiger