Esther Grau

inspired by dreams

Bücherbaum

September20

Ein Traumprojekt der besonderen Art ist der Bücherbaum Libertree.

Der Strafvollzugsbedienstete Gerhard Peschers träumte 2008 von einem Baum, der auf einer Gefängnismauer wächst. Dabei trägt der Baum nicht nur Früchte und Blätter, sondern auch Bücher. Diese Traumvision setzte eine Bewegung in Gang, die sich über viele Länder hinaus verbreitet hat. Nach dem Motto: The world is too small for walls.

Libertree passt noch besser als Bücherbaum zu dem Projekt, weil das lateinische Wort liber einerseits „Buch“, andererseits „frei“ bedeutet – ein traumverdichteter Name sozusagen.

Die Website Bücherbaum gibt dem Traum ebenfalls einen schönen Ausdruck. Er ist in inzwischen vielen Sprachen nachzulesen, außerdem kann man Bilder und Texte zum Thema anschauen.

Wer die Wirkung dieses kraftvollen Traumsymbols live sehen möchte, kann sie auf einer Ausstellung im Rahmen der Frankfurter Buchmesse erleben.

Buchextrakt (19) Leonie Swann: Garou

September11

Die irischen Schafe sind wieder auf Spurensuche. Ihre neue Schäferin Rebecca – Tochter des ermordeten Schäfers aus dem ersten Teil – löst das Versprechen ihres Vaters ein und unternimmt eine Europareise mit den Schafen. Allerdings lernt der Leser davon nur die Zeit im französischen Winterquartier kennen. Kälte, Schnee und schlechtes Wetter bestimmen die Atmosphäre, weshalb der Sommertitel Garou eigentlich zu früh erschienen ist. Er liest sich mit heißem Tee auf dem Sofa eben besser als auf der Sonnenterrasse – also hervorragende Lektüre ab sofort.

Nach dem Schafskrimi Glennkill geht es im Schafsthriller Garou um einen Wolf im Schafspelz oder genauer: eine Wolfsnatur im Menschengewand, die blutige Spuren in den Schnee schreibt. Im Schatten eines Schlosses, das einmal eine Nervenheilanstalt war, laufen viele undurchsichtige Charaktere an der Schafsweide vorbei und stiften Verwirrung unter den Wolligen.

In gewohnter Schafsmanier machen sich die kleinen Rasenmäher ihre ganz eigenen Gedanken zu den Geschehnissen in ihrer Umgebung. So sehen sie zum Beispiel gar nicht ein, warum im Tarot ausgerechnet der Teufel eine schlechte Karte sein soll,  die doch einen freundlichen, gehörnten Herrn mit Hufen zeigt.

Um die Schafsperspektive zu unterstreichen, findet Leonie Swann wieder viele Wortspiele, die einfach Spaß machen.

Neues Lieblingswort: Wollensstärke.

“Die Schafe standen schnaufend im Schnee. Gute Nacht! Rebecca  hatte leicht reden! Sie würde morgen nicht in den Pferch gelockt und vom Tierarzt verarztet werden.”

‘Ich gehe morgen einfach nicht in den Pferch!’, verkündete Heide plötzlich.

Die anderen schwiegen. Sie hatten schon öfters beschlossen, einfach nicht mehr in den Pferch zu gehen. Aber wenn der Futtereimer klapperte und der süße, schwere Duft des Kraftfutters über die Weide strömte, gingen sie doch. Jedes Mal.

‘Aber der Futtereimer …’, sagte Mopple niedergeschlagen.

‘Wir brauchen nur Wollensstärke’, sagte Heide. Sie hatte es von Mama gehört. Mit Wollensstärke ging alles!

Einige Schafe plusterten sich, um stärker zu wollen. Andere guckten betreten zu Boden. Cloud war das wollensstärkste Schaf der Herde gewesen – und der Tierarzt hatte sie in den Wald gejagt.

‘Wir brauchen nicht nur Wollensstärke!”, sagte Maple plötzlich. ‘Wir brauchen einen Plan.”  (S. 48-49)

posted under Wortreich | No Comments »

Kuriose Buchtitel

September6

Was animiert zum Lesen eines Buches? Ist es der knackige Klappentext, die begnadeten ersten Zeilen, das stimmungsvolle Cover oder der reißerische Titel?

Für alle, die sich gern am Titel orientieren und einen Hang zum Absurden haben, gibt es Anregungen bei der Abstimmung zum kuriosesten Buchtitel des Jahres.

Mein Favorit: Die Frau, die allein ein ganzer Tisch war.

via isabo

posted under Wortreich | No Comments »

Tierisch beweglich

August13

Lieblingssatz beim Yoga:

“Wir gehen in den Hund und heben das rechte Bein.”

posted under Wortreich | No Comments »

Tag 4 – Dein Langeweilebuch – Buchextrakt (18) Asta Scheib: Eine Zierde in ihrem Haus

August3

Bevor ich ein Buch hasse, lass ich es lieber liegen. Den Ehrgeiz des Zuende-lesen-Müssens habe ich schon vor Jahren erfolgreich abgestreift.

Ungeliebte Schullektüre kommt dem Hass-Thema damit am nächsten, erhält in dieser Serie aber einen eigenen Eintrag: Das blödeste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast.

Darum definiere ich das Hassbuch kurzerhand zum Langeweilebuch um. Denn das eigentliche Todesurteil für ein Buch ist schließlich nicht der Hass (Emotion, immerhin!), sondern das lieblos-lahme Lesen, kurz Langeweile.

Solche Bücher bewirken bei mir leider ein schnelles Vergessen und – so sie es überhaupt in meinen Besitz geschafft haben – eine ebenso schnelle Entsorgung. Ich habe also keinen Überblick mehr über die schlechte Literatur, die mir im Laufe der Zeit untergekommen ist. Es gibt nur ein Buch aus dieser Kategorie, das sich trotzdem auf meinem Buchregal hält, weil es niemand anderes wollte – nicht mal momox. Zumindest dient es mir jetzt als warnendes Mahnmal, was es beim Schreiben zu vermeiden gilt.

Es handelt sich um einen historischen Roman, den ich im Vorbeigehen zur Genrerecherche für fünf Euro mitgenommen habe. Das Buch ist die Familiengeschichte der Ottilie von Faber-Castell, die schon mit 16 Jahren vom Großvater zur Alleinerbin der Bleistiftfirma eingesetzt wurde. Um 1900 eine außerordentliche Herausforderung für eine Frau!

Die Story klingt vielversprechend, eine engagierte Frau mit ungewöhnlichen Lebensumständen in einer interessanten Epoche, aber: Von historischen Romanen erwarte ich, dass sie eine andere Zeit vor meinen Augen wachrufen und sie auch in den kleinen Dingen lebendig werden lassen.

Die kleinen Dinge sind aber genau der Haken. Als ich das Buch las, sah ich oft nicht die Ottilie Faber-Castell vor mir, sondern die Autorin im Archiv, wie sie emsig mit Jahreszahlen, Stammbäumen, Verzeichnissen und anderen historischen Daten hantiert. Mit der Recherche und Authentizität steht und fällt natürlich ein historischer Roman. Hier jedoch bekommt der Leser zu viele Informationen, die weniger die Epoche als vielmehr den Fleiß der Autorin dokumentieren. Nebensächliche Aufzählungen bremsen den Lesefluss aus, wo ich mir eine Beschleunigung gewünscht hätte. Das liest sich dann zum Beispiel so:

“‘Johann Loth Guttknecht hatte bereits 1811 Wasserkraft als Antrieb für seine Bleiweißmühle eingesetzt. Das war absolut neu und mutig. Ein Rad der Mühle seines Schwagers Eckert trieb von fünf Uhr morgens bis neun Uhr abends die Bleiweißmühle an, und Guttknecht zahlte Eckert dafür 80 Gulden jährlich. Loth Guttknecht starb schon in den zwanziger Jahren, sein Sohn Johann Wilhelm übernahm die Firma, die damals mit Fabrikgebäude, Wohnhaus, Stadel und einigen Äckern einen Wert von 5000 Gulden hatte. Als Guttknecht 1865 starb, kaufte Haas den Betrieb für 50 000 Gulden.'”

posted under Wortreich | No Comments »

Tag 3 – Dein Lieblingsbuch – Buchextrakt (17) Milan Kundera: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Juli25

Das ultimative und einzige Lieblingsbuch zu benennen, fällt mir schwer, aber einer meiner Favoriten ist sicherlich Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins.  Ein Lieblingsbuch, nicht wegen der Politik, sondern wegen der Philosophie und Poetik.

Kundera lässt uns tief in die Seelen seiner Charaktere blicken, bis hinein in ihre Träume. Er schafft Figuren, so vielschichtig wie echte menschliche Wesen. Gleichzeitig zeichnet er die allgemeine und zeitlose Dimension des Daseins mit feiner Feder. So ziehen sich das Leichte und das Schwere, das Helle und das Dunkle als Leitmotive durch diese Liebesgeschichte, die so viel mehr ist als die bloße Begegnung zweier Charaktere.

“Sie versuchte sich durch ihren Körper hindurch zu sehen. Deshalb stand sie so oft vor dem Spiegel. Da sie fürchtete, dabei von der Mutter ertappt zu werden, hatten ihre Blicke in den Spiegel den Charakter eines heimlichen Lasters.

Nicht die Eitelkeit zog sie vor den Spiegel, sondern die Verwunderung darüber, das eigene Ich zu sehen. Sie vergaß, dass sie auf das Armaturenbrett ihrer Körperfunktionen schaute. Sie glaubte, ihre Seele zu sehen, die sich in ihren Gesichtszügen offenbarte. Sie vergaß, dass die Nase nur das Ende des Luftschlauches zur Lunge ist, und sah darin einen getreuen Ausdruck ihres Charakters.

Sie betrachtete sich lang, und manchmal störte es sie, die Züge der Mutter in ihrem Gesicht wiederzufinden. Deshalb betrachtete sie sich noch beharrlicher und strengte ihren Willen an, um die Züge der Mutter wegzudenken, sie endgültig auszulöschen. In ihrem Gesicht sollte nur das übrigbleiben, was sie selber war. Gelang es ihr, so war dies ein berauschender Moment: Die Seele stieg an die Oberfläche des Körpers wie die Mannschaft eines Schiffes, die aus dem Schiffsbauch stürmt, das ganze Deck überschwemmt, zum Himmel winkt und singt.” (S. 42-43)

posted under Wortreich | No Comments »

ROILA – Grundkurs Robotisch

Juli21

Was tun, wenn das Gegenüber Blech redet? Bei Robotern ist das nicht so unwahrscheinlich. Wer Missverständnissen vorbeugen möchte, lernt am besten ROILA. Die Kunstsprache wurde entwickelt, um die Kommunikation mit Robotern zu verbessern, daher auch der Name: Robot Interaction Language (ROILA).

Sprachwissenschaftlich ein spannendes Projekt, weil es mit minimalen Voraussetzungen eine komplexe Kommunikationsbasis erschaffen will. (Das Sprachsystem wird immer noch verfeinert.)

Der Wortschatz wurde in Anlehnung an ein vereinfachtes Englisch (Basic English) aus lediglich 850 Vokabeln mit Hilfe eines Computeralgorithmus’ geschaffen. Dieser folgt einem effizienten Prinzip: Je häufiger die Vokabelverwendung, desto kürzer das zugeteilte Wort. Für schnelleres Sprechen und Verstehen.

Die Grammatik ist ebenso ökonomisch, sie funktioniert ohne Ausnahmen regelhaft. Es gibt Nomen, Verben, Adjektive und Adverbien, aber weder Fälle noch Geschlechter (mit Ausnahme der Pronomen sie und er). Um grammatische Kategorien wie Plural oder Zeiten zu kennzeichnen, werden separate Wörter ergänzt, sodass alle anderen Wörter unverändert bleiben.

Beispiel:

I am walking to the house
Pito fosit bubas
(wörtlich: Ich gehen Haus)

I walked to the house
Pito fosit jifi bubas
(wörtlich: Ich gehen <Wortmarker für Vergangenheit> Haus)

Entsprechend erscheint „jifi“ in allen Sätzen, die in der Vergangenheit stehen.

Wer sich intensiver mit ROILA befassen möchte, findet hier nähere Informationen.

via beetlebum, der schon mal Vokabeln lernt

Freunde der Sprache

Juli16

… und ihr Nachwuchs – hübsche Anekdote(n) zum Spracherwerb gibt’s bei Percanta.

posted under Wortreich | No Comments »

Tag 2 – Das Buch, das du als nächstes liest Buchextrakt (16) Carl-Henning Wijkmark: Nahende Nacht

Juli15

Morphiumbeflügelt erkundet der Protagonist die (Meta-)Physik des Todes. Denn der Hauptdarsteller ist ein sterbender Schauspieler im Todestrakt eines Krankenhauses, von seinen Zimmergenossen lapidar “Basislager” genannt, “weil uns das große Wagnis noch bevorstand”.

“Ist man sein ganzes Leben Freidenker gewesen, sollte man so viel Selbstachtung haben, daran festzuhalten. Sie können für sich eine fröhliche Ewigkeit irgendwo in ferner Zukunft erwarten. Aber ich, ich stehe hier auf der Schwelle zur großen Nacht und kann einfach nicht an eine andere Ewigkeit glauben. Für mich führen diese letzten Tage oder Wochen dazu, dass alles endet. Das einzige Leben ist vorbei. Da wägt man seine Worte ab. Ist man gläubig wie Sie, verliert der Tod seine Tragik. Er wird banal. Nur eine Passkontrolle. Für mich lautet die frohe Botschaft anders: Nur wer frei von Illusionen lebt, ist wirklich frei.” (S. 26)

posted under Wortreich | No Comments »

Tag 1 – Das Buch, das du zurzeit liest Buchextrakt (15) Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen

Juli12

Sehr unbedarft mit der Lektüre begonnen, nur mit einer unbestimmt positiven Assoziation zu Autorin und Titel im Hinterkopf  mitten ins Lesevergnügen gesprungen. Bei den ersten Zeilen gedacht, dieser unbekümmerte Schreibstil, wie man denkt und spricht – das ist bestimmt eine Bloggerin (!). Ein paar ungewohnte Redewendungen für Soziolekt gehalten, bis ich  über das “Grammophon” stolperte und doch mal das Erscheinungsjahr nachgeschlagen habe. 1932. Oha?!

Umso interessierter weitergelesen und mich an der Paradoxie gefreut, dass ein Buch gleichzeitig ein anschauliches Zeitzeugnis ablegen und in seinem Kern so modern sein kann.

Das kunstseidene Mädchen ist eine junge, emanzipierte und lebenshungrige Frau, die sich in einer armen, arbeitslosen Zeit mit allen Mitteln durchschlägt, die einer mittellosen Frau so zur Verfügung stehen.

“Ich bin in Berlin. Seit ein paar Tagen. Mit einer Nachtfahrt und noch neunzig Mark übrig. Damit muss ich leben, bis sich mir Geldquellen bieten. Ich habe Maßloses erlebt. Berlin senkte sich auf mich wie eine Steppdecke mit feurigen Blumen. Der Westen ist vornehm mit hochprozentigem Licht – wie fabelhafte Steine ganz teuer und mit so gestempelter Einfassung. Wir haben hier ganz übermäßige Lichtreklame. Um mich war ein Gefunkel. Und ich mit dem Feh. Und schicke Männer wie Mädchenhändler, ohne dass sie gerade mit Mädchen handeln, was es ja nicht mehr gibt – aber sie sehen danach aus, weil sie es tun würden, wann was bei rauskäme. Sehr viel glänzende schwarze Haare und Nachtaugen so tief im Kopf. Aufregend. Auf dem Kurfürstendamm sind viele Frauen. Die gehen nur. Sie haben gleiche Gesichter und viel Maulwurfpelze – also nicht ganz erste Klasse – aber doch schick – so mit hochmütigen Beinen und viel Hauch um sich. Es gibt eine Untergrundbahn, die ist wie ein beleuchteter Sarg auf Schienen – unter der Erde und muffig, und man wird gequetscht. Damit fahre ich. Es ist sehr interessant und geht schnell.” (S. 67)

posted under Wortreich | No Comments »
« Older EntriesNewer Entries »
  • Ich mach was mit Büchern