Esther Grau

inspired by dreams

Tag 4 – Dein Langeweilebuch – Buchextrakt (18) Asta Scheib: Eine Zierde in ihrem Haus

August3

Bevor ich ein Buch hasse, lass ich es lieber liegen. Den Ehrgeiz des Zuende-lesen-Müssens habe ich schon vor Jahren erfolgreich abgestreift.

Ungeliebte Schullektüre kommt dem Hass-Thema damit am nächsten, erhält in dieser Serie aber einen eigenen Eintrag: Das blödeste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast.

Darum definiere ich das Hassbuch kurzerhand zum Langeweilebuch um. Denn das eigentliche Todesurteil für ein Buch ist schließlich nicht der Hass (Emotion, immerhin!), sondern das lieblos-lahme Lesen, kurz Langeweile.

Solche Bücher bewirken bei mir leider ein schnelles Vergessen und – so sie es überhaupt in meinen Besitz geschafft haben – eine ebenso schnelle Entsorgung. Ich habe also keinen Überblick mehr über die schlechte Literatur, die mir im Laufe der Zeit untergekommen ist. Es gibt nur ein Buch aus dieser Kategorie, das sich trotzdem auf meinem Buchregal hält, weil es niemand anderes wollte – nicht mal momox. Zumindest dient es mir jetzt als warnendes Mahnmal, was es beim Schreiben zu vermeiden gilt.

Es handelt sich um einen historischen Roman, den ich im Vorbeigehen zur Genrerecherche für fünf Euro mitgenommen habe. Das Buch ist die Familiengeschichte der Ottilie von Faber-Castell, die schon mit 16 Jahren vom Großvater zur Alleinerbin der Bleistiftfirma eingesetzt wurde. Um 1900 eine außerordentliche Herausforderung für eine Frau!

Die Story klingt vielversprechend, eine engagierte Frau mit ungewöhnlichen Lebensumständen in einer interessanten Epoche, aber: Von historischen Romanen erwarte ich, dass sie eine andere Zeit vor meinen Augen wachrufen und sie auch in den kleinen Dingen lebendig werden lassen.

Die kleinen Dinge sind aber genau der Haken. Als ich das Buch las, sah ich oft nicht die Ottilie Faber-Castell vor mir, sondern die Autorin im Archiv, wie sie emsig mit Jahreszahlen, Stammbäumen, Verzeichnissen und anderen historischen Daten hantiert. Mit der Recherche und Authentizität steht und fällt natürlich ein historischer Roman. Hier jedoch bekommt der Leser zu viele Informationen, die weniger die Epoche als vielmehr den Fleiß der Autorin dokumentieren. Nebensächliche Aufzählungen bremsen den Lesefluss aus, wo ich mir eine Beschleunigung gewünscht hätte. Das liest sich dann zum Beispiel so:

“‘Johann Loth Guttknecht hatte bereits 1811 Wasserkraft als Antrieb für seine Bleiweißmühle eingesetzt. Das war absolut neu und mutig. Ein Rad der Mühle seines Schwagers Eckert trieb von fünf Uhr morgens bis neun Uhr abends die Bleiweißmühle an, und Guttknecht zahlte Eckert dafür 80 Gulden jährlich. Loth Guttknecht starb schon in den zwanziger Jahren, sein Sohn Johann Wilhelm übernahm die Firma, die damals mit Fabrikgebäude, Wohnhaus, Stadel und einigen Äckern einen Wert von 5000 Gulden hatte. Als Guttknecht 1865 starb, kaufte Haas den Betrieb für 50 000 Gulden.'”

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