Esther Grau

inspired by dreams

Spielerische Inspiration

Februar22

Traum und Literatur sind über die Brücke der Phantasie eng miteinander verwoben. Inspiration heißt die Wegbereiterin, die den Schritt beflügelt. Viele sagen, sie käme von außen, sei der Auslöser für die Beseelung allen Schaffens. Ich bin mir dessen nicht so sicher. Steigt die Inspiration nicht oft aus dem Inneren hervor und entfaltet ihre Ideen freigiebig wie ein überraschendes Geschenk? Steigt sie aus den Träumen empor, fällt es mir ebenso schwer, sie als äußeren Anstoß zu sehen, obwohl die Träume natürlich eine Welt für sich sind …

Manchmal indes, ist der Impuls von anderswo sicher sinnvoll, um neue Klarheit zu erlangen. Vielleicht einen Überblick, der neue Perspektiven und Zusammenhänge zeigt. Kreativitätstechniken, die diese Art der Inspiration anlocken wollen, gibt es viele.

Eine besonders originelle Methode beschreibt die Autorin Karla Schmidt, deren Literaturagent ein Verfahren der Psychotherapie heranzieht, um ihren kreativen Prozess anzuregen: die Familienaufstellung. Sie wird in der systemischen Therapie verwendet und setzt Symbole oder Figuren für reale Personen ein, um deren Beziehungen und Konflikte zu veranschaulichen. Für das Schreiben bzw. Konzipieren lässt sich dieses Vorgehen nutzen, indem man sozusagen Figuren für die Figuren verwendet.

Vorteil für Autoren: Der Plot kann nicht nur im Kopf, sondern buchstäblich durchgespielt werden, sodass Handlungs- und Entwicklungsverläufe leichter zu be-greifen sind.

via texteundtee

Buchextrakt (3) Suter, Martin: Lila, Lila

Februar17

Noch ein Buch mit Einblick ins Schriftstellerleben. Obwohl dieses Mal der Witz darin besteht, dass der  “Autor” gar keiner ist, sondern “sein” Manuskript lediglich gefunden hat. Er gerät in die Maschinerie des Literaturbetriebs und wird vom Erfolg überrollt …

Meine Lieblingsstelle liest sich als ein heiteres Beruferaten:

“Er verschafft ihr einen Platz in der Runde, die ihr auf Anhieb gefiel. Sechs Männer, zwei Frauen, alle nicht viel älter als sie und offenbar Stammgäste im Esquina. Einer, den sie Ralph nannten, stellte sie vor:

‘Das ist Silvie. Sie bringt jungen Menschen bei, alte Schuhe abzuzeichnen. Sandra sorgt dafür, daß die Passagiere niemals die Schwimmwesten vor dem Verlassen des Flugzeugs aufblasen. Roger schreibt diese Sachen auf den Inseraten, die kein Schwein liest. Rolli sorgt dafür, daß sie auch für die, die sie lesen möchten, unleserlich bleiben. Kelly verliert Architekturwettbewerbe. Bob ist der Mann, der schuld daran ist, daß im Fernsehen alle so tiefe Falten im Gesicht haben. Und Sergio hier macht Kunst und erträgt keine Witze darüber. Und du?’

Marie versuchte, sich dem Ton anzupassen. ‘Ich bin die, die alle diese Christbaumkugeln in die Schaufenster hängt, und daneben versuche ich, die Matura nachzuholen. Und du?’

‘Ich sorge für das literarische Niveau von Gebrauchsanweisungen und Beipackzetteln.'” (S. 34-35)

Da die Kinoverfilmung gerade aktuell ist, hier der  Trailer von Lila, Lila.

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Erlesene Welten

Februar15

Neben dem Atlas der wahren Wörter gibt es noch einen weiteren Atlas für Sprach- und Bücherfreunde: den Atlas erlesener Welten. Er  kartografiert all jene Orte, die Schauplatz literarischer Werke sind. Diese “Handlungsreisen” eröffnen einen ganz neuen Umgang mit Büchern.  

Wer mag, kann sich von der literarischen Weltreise inspirieren lassen und seine Lieblingsbücher ebenfalls verorten, sofern dies noch ein “weißer Fleck” auf der Landkarte sind.

Lesenswert sind übrigens auch die Autoreninterviews auf der Seite.

Die internationale Variante für Gedichte gibt es unter Poetryatlas, wie lesereins berichtet.

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Wo du wirklich wohnst

Februar12

Reisen zum Ursprung der Wörter stecken voller Überraschungen. Etymologie, die Lehre von der Herkunft der Wörter, heißt der kompetente Reiseführer. Er kennt eine Menge Anekdoten über Land und Leute. Wie unterhaltsam diese sein können, zeigen die Karten im Atlas der wahren Namen. Er verwandelt vertraute Karten in eine märchenhaft anmutende Landschaft. Da offenbaren bloße Bezeichnungen plötzlich wieder sinnliche Bedeutungen, die Altbekanntes in neuem Licht zeigen. So entpuppt sich Spanien als “Kaninchenland”, Italien als “Kälberland” und  Namibia als “Platz, an dem es nichts gibt”.

Oft sind es aber nicht nur Besonderheiten der Natur, die für die Namensgebung einer Gegend verantwortlich sind, sondern Charakteristika der Bewohner und ihrer Lebensweise.  Sri Lanka wurde so zur “Insel des Glücks”. Beeindruckend auch, wie viele Länder sich der Freiheit verschrieben haben: Schweden, Frankreich und Thailand sind “Länder der Freien“.

Und wofür steht Deutschland? Wir sind das “Land des Volkes”, aber das wissen wir ja schon …

Die Wortbedeutung einzelner Städtenamen lässt sich ebenfalls zurückverfolgen und enthüllt Vielsagendes: Wir erfahren zum Beispiel, dass Hongkong (“Duftender Hafen”) keine Gemeinsamkeiten mit Chicago (“Stinkzwiebeln”) hat. 

Wie schön, dass dieser Wahrheit so viel Zauber innewohnt!

 via Deutschlandpuls

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Buchextrakt (2) Hustvedt, Siri: Die Verzauberung der Lily Dahl.

Februar8

Sehr amerikanisch, zumindest am Anfang: Alles dreht sich um Lily, die junge Bedienung eines Diners in einem Provinznest. Doch ihre “Verzauberung” besteht nicht nur in der Begegnung mit einem fremden Maler, sondern in einer Surrealität, die sich immer stärker ausbreitet und so viel Spannung aufbaut, dass sich die Geschichte geradezu in einen Krimi verwandelt.

“Ich suche nach dem Eingang”, sagte er, “ich will eine Öffnung finden.”

“Wo hinein?” sagte Lily.

“Hast du nie den Eindruck, daß nichts wirklich ist?”

Lily sah ihn an. “Na ja”, sagte sie langsam. “Manchmal denke ich, daß gewöhnliche Dinge irgendwie seltsam sind …”

Martin nickte heftig. “Es … es ist so, als hätte alles eine Haut, und wenn du drunterkommen könntest, würdest du zu dem gelangen, was wirklich ist, aber man kann es nie, also maß man eine Art und Weise finden, dahin vorzudringen. Verstehst du?”

Lily verstand überhaupt nicht. Sie fühlte sich unbehaglich.

“Nein”, sagte sie. “Versteh ich nicht.”

“A-a-also.” Er wandte ihr sein blasses Gesicht zu und stieß nach mehreren Versuchen das M vervor. “Mund. Das Wort ist nicht wirklich, aber … aber du benutzt deinen Mund, um es zu sagen, und dann treffen sich die beiden …”

“Martin”, sagte Lily kopfschüttelnd.

“Sch-sch-schwindel”, sagte er dann laut.

Lily sah ihn an. Sie mochte das Wort nicht. “Schwindel?”

W-wörter sind Schwindel – nichts als Laute für etwas, stimmt’s? Bilder sind Schwindel, das Stück ist ein Schwindel. Aber vielleicht, wenn du sie auf das wirkliche Ding schiebst – dann öffnen sie einander. ” Martin sah sie triumphierend an.

Lily starrte ins Leere.

“Nun muß es stimmen. Man muß so fest schauen, daß einem die Augen davon weh tun. Meistens stimmt es nicht. Aber man kann nicht aufhören hinzuschauen.” Martin schwieg eine Weile. “Sag es noch mal.”

Lily wich zurück. Sie schüttelte den Kpf und schaute die Straße entlang. Die niedrigen Äste großer Ulmen verdunkelten das Pflaster und den Bürgersteig. Zwischen ihnen konnte sie den Nachthimmel sehen und blickte zu ihm auf. Sie war müde und wollte woanders sein. “Es ist zu seltsam.” (S. 72-73)

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An der Wirklichkeit vorbeigeträumt

Februar6

Fritz Mauthner ist schlecht auf die Sprache zu sprechen. Das mag verwundern, immerhin war Mauthner (1849-1923) Schriftsteller – in erster Linie aber Philosoph. Als solcher kreidet er der Sprache, vor allem aber unserer Wortgläubigkeit, die Beschränkung der menschlichen Wahrnehmung an. Sprache verkürze und vereinfache die Wirklichkeit. Sie werde ihr ebenso wenig gerecht wie ein allgemeines Traumsymbolbuch der individuellen Bedeutung unserer Träume. Mauthner formuliert das in dem wunderbaren Traumtext, auf den ich gerade stieß, viel besser, deshalb hier ein Auszug:

“Es gibt Traumbücher für abergläubische Bettler, und der Verfasser eines philosophischen Werkes ist geneigt, in einem Traumbuche etwas zu sehen, was mit seinem eigenen Werke so wenig zu schaffen hat wie eine Seifenblase mit einer Pyramide. Ich aber fürchte: wenn man absieht von den Diensten, welche die Sprache der Notdurft erweist, ist die Sprache das Traumbuch der armen wortgläubigen Menschheit. Wir haben uns gewöhnt, die Ideenassoziationen des ewig wiederkehrenden Tagestraumes in Worten zu ordnen, weil wir sie im Gedächtnisse behalten wollten. Wir haben unser Gedächtnis durch den Gebrauch der Worte bis zum vermeintlichen Denken gesteigert; und weil wir Worte haben, so glauben wir an sie. Aber nur gebunden an die Worte sind die Assoziationen, nur noch unfreier sind sie geworden durch das Gebundensein. Dann hat man gar die Sprache durch Schrift und Druck noch fester gebunden als durch den Sprachgebrauch und hat geglaubt, noch weiter gekommen zu sein im Denken. Jawohl, bis an die Sterne weit. Wie viel Menschen in Berlin wohnen und wie viel Häuser da stehen, und wie viel Zentner Mehl und Fleisch es im Jahre verbraucht, nur das wissen wir besser durch Schrift und Druck, als es möglich wäre durch die Sprache von Mund zu Mund. Vollends unfrei aber ist durch Schrift und Druck geworden, was von den Assoziationen unserer Vorstellungen schon durch die Bindung an das Wort unfrei geworden war. So belasten alle künstlichen Mittel unseres Gedächtnisses diese Fähigkeit nur, anstatt sie zu bereichern. Eine Befreiung aus dieser Unfreiheit gibt es nicht. Und selbst diese unsere Einsicht in die ernstliche Traumhaftigkeit unseres Denkens ist keine Rettung aus der Nacht in den Tag oder aber aus dem Tagestraum in die nachtwandlerische Sicherheit des Schlaftraums, sondern nur eine vorübergehende Erlösung von dem Alp des Denkens, wie wohl mancher Träumer, inmitten der Angst eines geträumten Schreckens, plötzlich in halbem Erwachen zu sich selber spricht: sei ruhig, es ist alles nicht wirklich.”

Fritz Mauthner: Beiträge zu einer Kritik der Sprache. Bd. 1: Zur Sprache und Psychologie (1906). Kapitel VII: Gedächtnis,  Traum.

via textlog

SMS vom Ficus (2)

Februar3

Dass Pflanzen mit Menschen sprechen, habe ich bereits erzählt. Sie wissen sich aber auch ganz gut selbst zu helfen. Tatsächlich funktionieren die elementaren Kommunikationswege vieler Pflanzen natürlich ohne Hilfsmittel wie SMS. Sie rufen einfach, aber effektiv um Hilfe, wenn es ihnen an den Stengel geht.

Der wilde Tabak zum Beispiel ist in der Lage, zu erkennen, wer an ihm knabbert. Das Ergebnis des Erkennungstests bestimmt sein weiteres Verhalten: Die einen vergiftet er mit erhöhtem Nikotingehalt. Andere, die dagegen immun sind, trickst er aus: Mit einem chemischen Signal – sprich Duftstoff – lockt er dann die Feinde seiner Feinde herbei.

Andere halten sich ihren persönlichen Schutztrupp lieber gleich in Reichweite. So stellen einige Akazienarten gerne Ameisen als Leibwächter gegen Kost und Logis an: Sie produzieren einen speziellen Ameisennektar und lassen ihre Bodyguards in hohlen Dornen wohnen. Im Gegenzug fressen die Ameisen aufdringliche Insekten.

Pflanzen sind demnach nicht nur Kommunikationsprofis, sondern wahre Networker!

Wer mehr über die kuriosen Kommunikationsformen der Pflanzenwelt erfahren möchte, kann hier einen Wissenstest Kluge Pflanzen machen.

Buchextrakt (1) Widmer, Urs: Ein Leben als Zwerg.

Februar2

Klassische Rezensionen sind gut und schön – mich persönlich haben sie jedoch oft in die Irre geführt, sodass ich mich nach der Lektüre fragen musste, ob ich wirklich dasselbe Buch wie der Rezensent gelesen habe. Daher halte ich mich nur noch an Leseproben. Sehr schön übrigens hier präsentiert, wo unter der Rubrik “Neues auf dem Nachttisch” traditionell der jeweilige Buchanfang veröffentlicht wird. Ich habe mich allerdings für eine etwas persönlichere Auswahl entschieden, indem ich in der Reihe “Buchextrakt” meinen jeweiligen Lieblingsauszug eines Textes veröffentliche. Und hier das erste Werk:

Wie der Titel nahelegt, schreibt hier ein Zwerg aus seinem Leben. Dieses spielt sich hauptsächlich im Umfeld jenes Kindes ab, das den Spielzeugzwerg als erstes mit seiner Liebe erweckt und damit zu Bewusstsein und Eigenleben verholfen hat. Jenes Kind ist inzwischen erwachsen und gibt nebenbei den ein oder anderen netten Einblick ins Schriftstellerleben.

Mein Bub, jetzt, als älterer Herr, sitzt hie und da an dem Tisch, barfuß, in kurzen Hosen und einem T-Shirt, und schreibt auf seiner Schreibmaschine. Er trägt dann eine Brille, eine ähnliche wie einst Dunkelblöe, die er immer wieder putzt, nicht weil sie schmutzig wäre, denke ich, sondern weil er nicht weiterweiß und die Zeit der Leere überbrücken will. Dann wieder tippt er wie ein Besessener, wie der rasende Roland, so daß die vollgeschreibenen Papiere nur so aus der Rolle fegen, tölpeligen Vögeln gleich durchs Zimmer flattern und irgendwo auf dem Parkett landen. Einmal, vor nicht allzu vielen Tagen, flog eins bis zu mir ins Regal und legte sich auf mich. Da lag ich, begraben für eine oder zwei Minuten, bis der Bub, der alte Mann, das Blatt wieder von mir weghob. “Na, Vigolette”, sagte er. “Wie geht’s uns so?” Natürlich konnte ich ihm nicht sagen, wie es uns so ging – daß wir in einem beunruhigenden Tempo zerbröselten, wie zwei – , ich war ja spielzeugstarr und Zwergenstimmen sind so leise, daß sie von Menschenohren, wenn überhaupt, nur gehört werden können, wenn diese direkt vor dem Zwergenmund sind. In so eine Lage komme wir nie, mir jedenfalls ist es nie passiert; und ich wüßte dann vielleicht gar nicht, was sagen. Small talk mit einem Menschen, mit diesem Menschen, das wäre mir nicht möglich. Zwerge reden auch mit Zwergen Wesentliches, im wesentlichen. Ob mir aber mit ihm, so aus dem Stand, der Satz gelänge, der alles umfaßte? (S. 15-16)

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SMS vom Ficus (1)

Januar30

Pflanzen gelten nicht unbedingt als Kommunikationsprofis. Unflexibel in ihrem Standpunkt und versteift auf ihre Haltung – wie soll das funktionieren? Dass sie trotzdem wahre Experten der Kommunikation sind, beweist ihre Sprache aus biochemischen und elektrischen Signalen. 

Elektrische Signale – erstaunlich, wenn man  gar kein Nervensystem besitzt! Aber Biologen wiesen mit einer Art EKG  elektrische Aktivität bei Pflanzen nach. Das bedeutet unter anderem, dass sich die Kommunikation zwischen Mensch und Pflanze entscheidend vereinfacht.

So können Zimmerpflanzen, die mit einem entsprechenden Sensor ausgestattet werden, ein Signal aussenden, sobald ihre Erde trocken ist. Der Besitzer erhält das elektrische Signal als Nachricht auf sein Handy.

Die praktische Relevanz dieser Technologie zeigt sich außerdem im Weinbau. Bislang spritzen Winzer ihre Reben vorsorglich gegen Mehltau. Jetzt wurden die Reben “verkabelt” und senden erst bei tatsächlichem Mehltaubefall ein elektrisches Signal, das den Weinbauern als SMS erreicht: Bitte hilf uns! Deine Reben.

Die Frage ist also nicht mehr, ob mensch mit seiner Pflanze sprechen sollte, um ihr Wachstum zu fördern. Hauptsache er reagiert, wenn die Pflanze mit ihm spricht!

Wer Gelegenheit hat, die Doku Kluge Pflanzen zu sehen, wird noch so einige Geheimnisse erfahren. Der Autor Volker Arzt hat auch ein gleichnamiges Buch veröffentlicht.

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