Esther Grau

inspired by dreams

Literatour: Hesse-Kabinett Tübingen

Oktober9

Hermann Hesse war ein jugendlicher Rebell. Er lehnte sich gegen die Enge seines theologischen Seminars in Maulbronn auf, haute ab, durchlebte Suizidgedanken, Nervenheilanstalt und zwei abgebrochene Lehren, bis er mit 18 Jahren nach Tübingen und etwas zur Ruhe kam.

Seine Buchhändlerlehre zog er in Tübingen endlich durch. Ausbildung und Brotberuf in der Buchhandlung Heckenhauer finanzierten ihm von 1895 bis 1899 den Lebensunterhalt und seine dichterischen Anfänge. In dem Haus am Holzmarkt ist deshalb heute im ersten Stock das Hesse-Kabinett Tübingen eingerichtet.

Hesse-Buchhandlung

Die Gedenkstätte “Museum” zu nennen, wäre übertrieben, aber es ist ein atmosphärischer dichter Ort im Originallager der Buchhandlung. Die Holzdielen und -pfeiler bieten ein gemütliches Ambiente, um sich in Hesses Arbeitsstätte einzulesen und einzufühlen. Noch ist der erst im Mai 2013 eröffnete Gedenkort ein kleiner Geheimtipp.

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Die alten Bände in den Buchregalen stammen übrigens teilweise noch aus den Beständen der Buchhandlung. Es sind demnach mit Sicherheit darunter einige Bücher, die schon Hesse in der Hand hatte. Zu seinen Aufgaben zählte damals das Sortieren, Archivieren und Verpacken der Buchbestände.

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Hesses Arbeit in der Buchhandlung ware ebenso unspektakulär wie ungeliebt. Hesse lernte das Buchhandeln gründlich und gab sich Mühe, es zu mögen, kam aber nicht darüber hinweg, dass es letztlich nur “Kauf und Verkauf” war.

Nach seiner Lehrzeit arbeitete er für 80 Mark im Monat noch ein Jahr als Gehilfe in der Buchhandlung.  Nebenher feilte er an seinen ersten literarischen Texten, denn zum Dichter, nicht zum Buchhändler fühlte er sich berufen.

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Das Hesse-Kabinett ist an Freitag-, Samstag- und Sonntagnachmittagen zwischen 14 und 17 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet. Es ist mit so viel Liebe eingerichtet, dass ihm mehr Besucher(innen) zu wünschen sind. Mit Ausnahme der alten Bücher darf man alles anfassen, tatsächlich wurde museumspädagogischer Wert auf die Haptik gelegt. So bekommt man einen guten Überblick über Hesses Lebensstationen einerseits und die literarischen Bezüge in Tübingen andererseits. Schließlich lebte in Tübingen auch der Dichter Hölderlin, der seinerseits Hesse inspirierte.

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Im angeschlossenen Antiquariat, das sich auf Hesse spezialisiert hat, erstand ich ein Buch über Hesses Lebensstationen inklusive Nacktfoto von Hermann Hesse!

In Ascona lebte er später eine Weile in der “vegetabilen Cooperative” am Monte Verita. Diese Aussteigergemeinschaft praktizierte einen freien Körperkult mit Sonnen- und Luftbaden, bewusster Nacktheit und Naturnähe, vegetarische Kost inbegriffen.  In diesem Rahmen ging Hesse gern Nacktklettern (Foto!) und trieb sich ein paar Tage in der “Wildnis” herum. Ein richtiger Naturbursche, der sensible Buchhändler …

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