Esther Grau

inspired by dreams

Eine Art Himmelfahrt: Schillerhaus Leipzig

Mai15

Neun Tage lang quälte sich die Kutsche von Mannheim nach Leipzig über verregnete Wege. Darin litt der 25-jährige Friedrich Schiller. Er kam 1785 mitten zur Ostermesse in Leipzig an – die Stadt war außer Rand und Band. Was Schiller noch nicht ahnte: auch wegen ihm.

Der Autor der „Räuber“ kommt in die Stadt! Wir wollen den Rebellen sehen!

Seit der Uraufführung des Stücks im Jahr 1782 begeisterten die „Räuber“ die Jugend, sodass sich eine wahre Fangemeinde bildete. Die Erscheinung des abgerissenen, weil gesundheitlich, finanziell und von der Reise angegriffenen Dichters, der von Natur aus nicht eben imposant war, enttäuschte offenbar etliche Anhänger. Schiller wirkte wohl eher wie ein Muttersöhnchen und nicht wie ein Freiheitsverkünder. Umgekehrt ging ihm der öffentliche Rummel um seine Person ein bisschen auf die Nerven.

Herzliche Anhänger seines Werks und bald schon gute Freund waren jedoch Christian Gottfried Körner und sein Kreis, die Schiller Fanpost geschickt und überhaupt nach Leipzig eingeladen hatten – und ihn damit vor dem finanziellen Ruin bewahrten.

Schillers Anstellung als Theaterdichter in Mannheim war nämlich gerade geplatzt: Er konnte aus gesundheitlichen Gründen die vertraglich geforderte Stückezahl nicht pünktlich liefern, wurde entlassen und blieb zunächst ratlos auf seinen Schulden sitzen. Es muss dem Burnout nahegewesen sein, wie man heute sagen würde, als ihn Körners Einladung wie ein Geschenk des Himmels erreichte, denn damit wurde alles anders.

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Die Zuneigung und die Unterhaltung mit seinen neuen Freunden und die Anerkennung für sein Werk stärkten ihn, wenngleich es ihm bald in der Stadt zu eng wurde. Überdies lockte die Sommerfrische jeden, der es sich leisten konnte, aus den engen Gassen der Stadt, in denen mit steigendem Sonnenstand auch der Gestank fehlender Kanalisation aufstieg.

Seine neuen Freunde mieteten ihn im nahen Dorf Gohlis, das heute ein Leipziger Stadtteil ist, bei einem Bauern ein, wo Schiller den Sommer 1785 verbrachte. Die Bauern verdienten sich damals mit dieser Art Sommergäste ein hübsches Sümmchen dazu. Da gab eine vielköpfige Bauernfamilie auch schon mal die eigene Wohnstube auf und begnügte sich mit zwei Schlafzimmern, um den Städtern noch ein Zimmer mehr zu vermieten. Gerade in Gohlis war die Nachfrage groß, konnte man dort doch nicht nur frische Luft, sondern die Annehmlichkeit der Stadtnähe genießen und abends die halbe Stunde durch das schöne Rosental ins Theater oder Konzert nach Leipzig spazieren. Für den Rückweg nahm man gern den Linienkahn.

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Es muss Schiller wie im Märchen vorgekommen sein: Gerade noch drückte ihn die Schuldenlast und unverhoffte Arbeitslosigkeit in Mannheim, dann sorgen plötzlich freundliche Menschen, die sich nicht nur als Bewunderer seines Werks, sondern auch als Freunde und Mäzen herausstellen, für sein Wohlergehen und finanzierten seinen Lebensunterhalt. Vom Wein beflügelt feierte man gemeinsam das sommerliche Landleben. Alles fügte sich so gut, dass Schiller in geradezu euphorische Stimmung versetzt wurde. Schönster Ausdruck seines neuen Lebensgefühls ist Schillers Lied an die Freude („Freude, schöner Götterfunken …“), das in Gohlis entstanden ist und später von Ludwig van Beethoven im 4. Satz seiner 9. Sinfonie als Ode an die Freude vertont wurde.

Schillers Sommerquartier von 1785 kann noch heute als Museum Schillerhaus Leipzig-Gohlis besichtigt werden. Neben einer kleinen Ausstellung gibt es die originalen Räume zu sehen und die anekdotenreichen Führungen lohnen auf jeden Fall.

Die Schillerbüste diente nicht nur als Vorbild für die im im 19. Jahrhundert sehr verbreiteten kleinen Schillerbüsten, die in allen Schulen und Bildungseinrichtungen standen, sondern mit seiner fein herausgearbeiteten Haarpracht auch für das Backwerk der Schillerlocken.

Schon früh hatte  sichder Schillerverein außerdem für ein „Highlight“ als Ausstellungsstück stark gemacht: eine Weste des Dichters – mit originalem Schweißfleck.

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Im Schillerhaus Leipzig finden regelmäßig Veranstaltungen statt, die sich nicht strikt auf Schiller beziehen, sondern den literarische Rahmen auflockern. Zu Pfingsten geht es  beispielsweise auf eine Reise durch die Schwarze Romantik.

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