Esther Grau

inspired by dreams

Die Wahrheit über Grimms Märchen

Januar4

Schon gewusst, dass die Brüder Grimm …

… beim Sammeln ihrer Märchen und Sagen nicht so sehr dem gemeinen Volk „aufs Maul“ schauten, sondern vor allem  Adelsfräulein aus der näheren und weiteren Bekanntschaft befragten?

… eben diese Fräulein gerne mit Bildern ihres Malerbruders Ludwig Grimm bestochen haben?

… sich Jacob und Wilhelm Grimm niemals trennen wollten und tatsächlich die meiste Zeit ihres Lebens in einem Haushalt lebten?

… Grimms Märchen zuerst in einer nicht jugendfreien Fassung erschienen?
Beispiele: Die zwölfjährige Rapunzel sitzt schwanger in ihrem Turm und fragt sich, warum ihre Kleider nicht mehr passen. Dabei hatte sie doch nur Besuch vom Königssohn. Nicht mal geheiratet wird in der Version, sowas!

Rapunzel wie viele andere Grimmschen Märchen gar nicht deutschen, sondern französischen Ursprungs ist? Denn diese Märchen wurden von den in Adelskreisen beliebten hugenottischen Kindermädchen weitererzählt. 

 


Best of blogs – Jahresrückblick

Dezember28

Nach den besten Blogartikeln in diesem Jahr gefragt, habe ich mein persönliches Best of zusammengestellt.

Arbeitsloses Pack

Platz 1 geht an Mek Wito für die plastische Schilderung einer Begegnung im frühmorgendlichen Grauen. Der Lohn für Nachtschichten ist hart: Nur weil das Feierabendbier wie das erste und nicht wie das letzte des Tages aussah, musste er sich so einiges sagen lassen. Ich habe sehr gelacht.

Realismus für Anfänger

Platz 2 für Maximilian Buddenbohms entwicklungspsychologischen Bericht über den trockenen Humor von Sohn I. Namentlich die Sprachentwicklung seiner Sprösslinge verfolge ich immer mit Vergnügen.

Erleuchtung

Platz 3 verdient Henrike Heiland, die bei einer Zugfahrt Ohrenzeugin eines wichtigen Gesprächs wurde. Für alle, die schon immer wissen wollten, wie das mit der Erleuchtung genau funktioniert und wie lange man je nach Nationalität dafür laufen muss. Die Dialektübertragung (mit Übersetzung) hat mir besonders gut gefallen.

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Wie der Schnabel gewachsen ist

Dezember3
Wer sich einmal durch Deutschland hören möchte, klickt sich durch die Dialektkarte. Sie gibt eine gute Übersicht über Sprachproben aus dem ganzen Land. Zum Anhören und Mitmachen.
 
Ein Beispiel für Dialekte im Alltag ist übrigens das Kölsch-Banking der Sparkasse KölnBonn, das Astrid Paprotta entdeckt hat:

“Ehr wollt Üür Nüsele op Kölsch verschecke? Dann dot uns eimolig kölsch Internet-Banking notze! Met unsem kölsche Handy-Banking nemmt Ehr de kölsche Sproch üvverall hin met.”

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Heiteres Beruferaten

November30

Recherchen sind toll.  Die faszinierendsten Themen sind immer die, nach denen man gar nicht gesucht hat. Aber sie leuchten meiner Wissbegierde so vom Wegesrand entgegen, dass ich gern mal einen kleinen Schlenker mache.

Dieses Mal begegneten mir  altertümliche Berufsbezeichnungen, die trotz ihrer anschaulichen Namen nicht direkt auf ihre Tätigkeit schließen lassen.

Stadtpfeifer.

Der Stadtpfeifer war nicht etwa ein freiberuflicher Tagedieb, der mit gespitzten Lippen durch das Städtchen bummelte, sondern ein ziemlich verantwortungsvoller Posten im 14. bis 18. Jahrhundert.

Diese „Pifferbrüder“ , wie sich die in Zünften organisierten Musiker auch nannten, waren für die musikalische Begleitung städtischer Festivitäten verantwortlich –  von der Hochzeit bis zum Besuch des Landsherrn. Zu diesem Zweck beherrschten sie meist eine Vielzahl von Instrumenten, sodass die Kirchenmusiker sie gern zur Unterstützung einsetzten.  

Hinter dem Job des Stadtpfeifers verbarg sich aber meistens eine Doppelfunktion.  Denn Stadtpfeifer waren tatsächlich ein Mittelding aus Stadtkapelle und menschlicher Turmuhr. Die Stadtpfeifer mussten ihr Musizieren vermutlich dauernd unterbrechen, um regelmäßige Zeitsignale von den Türmen zu blasen. Denn nur dann wussten die damals weitgehend uhrlosen Mitbürger, welches Stündlein ihnen geschlagen hatte („Trööt! Mittach!“).

Übrigens war das der Job von Johann Sebastian Bachs Papa in Eisenach.

 Lichtkassier.

Deutlich jüngeren Datums als sein Vorgänger, stammt diese Berufsbezeichnung aus jener ziemlich elektronikfreien Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts,  als Strom in Privathaushalten im Wesentlichen für Licht verwendet wurde. Um die Gebühren für diesen „Lichtstrom“ einzusammeln, kam der Lichtkassier in regelmäßigen Abständen ins Haus.

Der Beruf lebt heute im Stromableser fort, wenn er auch mit dem poetischen Namen die Funktion des Geldeinnehmens eingebüßt hat.

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Wilde Werbewelt (15)

November3

November ist Teekessel(chen)zeit!

Wenn mir die Klischeekosten im literarischen Kontext begegnet wären, hätte ich mir darunter so etwas wie eine Kaffeekasse für Autoren vorgestellt, in die für jede stereotype Figur oder Redewendung ein Euro einzuzahlen ist.

Dass die wilde Werbewelt dagegen ganz gern mal mit Klischees arbeitet, überrascht nicht wirklich. Doch besagte Klischees spielen vor allem im Zusammenhang mit der Drucktechnik eine Rolle. Hier bezeichnen sie nämlich eine Druckform, die vor dem Druck angelegt wird. Bei ausgefallenen Formaten oder Formen sind daher die Klischeekosten nicht unerheblich.

Merke: Klischees kommen immer teuer.

Buchextrakt (21) Dick Francis: Unbestechlich

Oktober28

Der Jockey Derek Franklin muss nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders, eines Edelsteinhändlers, dessen Nachlass regeln. Selber durch einen Unfall gehandicapt, bereitet ihm dabei nicht nur die Geheimniskrämerei des sicherheitsfanatischen Bruders Probleme, sondern auch zahlreiche Einbrüche und Übergriffe auf Leib und Leben.

Da ich Krimis mag, die nicht sofort als solche erkennbar sind, hatte ich mit Unbestechlich viel Spaß. Die Story ist ohne Zweifel spannend – ein richtiger Schmöker –, erinnert aber mehr an eine moderne Schatzsuche als an klassische Verbrechensaufklärung. Und das auf die (nicht ganz so) feine englische Art.

Ich habe viel Unterhaltsames über den Edelsteinhandel, das Leben eines Jockeys und Rosstäuscherei (neues Lieblingswort) auf der Rennbahn gelernt. Nebenbei  liest sich auch die Beschreibung zahlreicher elektronischer Spielereien, die bei der Erstveröffentlichung  des Buches (1989) futuristisch gewirkt haben müssen, heute durchaus charmant.

Ausnahmsweise zitiere ich gleich den Anfang, weil ich sehr gelungen finde, wie er den Leser in die Handlung wirft, und alles andere ein Vorgriff auf die Entwicklung der Ereignisse wäre.

 „Ich habe das Leben meines Bruders geerbt. Habe seinen Schreibtisch, seine Firma, sein technisches Spielzeug, seine Feinde, seine Pferde und seine Geliebte geerbt. Ich habe das Leben meines Bruders geerbt und dabei fast das meine verloren.

Ich war damals 34 Jahre alt, und eine Meinungsverschiedenheit mit dem letzten Hindernis des Rennens in Cheltenham hatte zur Folge, daß ich an Krücken herumhumpelte. Sollten Sie noch nicht erlebt haben, wie es ist, wenn Ihr Fußgelenk zerschmettert wird, dann haben Sie nichts versäumt. Wie immer war es nicht der Sturz bei voller Geschwindigkeit gewesen, der den Schaden verursacht hatte, sondern die halbe Tonne von Rennpferd, das hinter mir über das Hindernis setzte. Es sprang mit einem seiner Vorderhufe direkt auf meinen Stiefel, und der Arzt, der mir diesen dann vom Bein schnitt, überreichte ihn mir als Andenken. Mediziner haben nun mal einen makabren Sinn für Humor.“

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Kuriosester Buchtitel 2010

Oktober9

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und den Abwasch zu beginnen.

So heißt der Gewinner im Wettbewerb um den kuriosesten Buchtitel des Jahres 2010.

Wie schon berichtet, konnte auch dieses Jahr wieder über höchst seltsame Titelteaser abgestimmt werden.

Inzwischen hat die Jury (Luzia Braun, Bodo Mrozek und Eckart von Hirschhausen) entschieden und im Rahmen der Frankfurter Buchmesse den Sieger.

Inhalt des Gewinnertitels  ist die Geschichte des Auftragkillers Toxic, der auf Island unfreiwillig in die Rolle eines Priesters schlüpft.

Die Begründung der Jury klingt selbst auch sehr kurios:

„Der Titel nimmt die Diktion eines erfolgreichen Genres, des Ratgebers, auf, verknüpft dann aber auf gänzlich überraschende Weise die Themen Haushalt und Pazifismus und steckt gewissermaßen eine sprachliche Prilblume in die Pistolenmündung. Schwerter zu Abwaschbürsten!“

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Buchextrakt (20) Henry D. Thoreau: Walden oder Leben in den Wäldern

Oktober8

Thoreau erzählt in seiner Essaysammlung Walden von seinem Aussteigerleben am Ufer des Waldensees in Massachusetts. Als persönlicher Protest gegen das „rastlose, nervöse, geschäftige, triviale neunzehnte Jahrhundert“ lebte er von 1845 bis 1847 zurückgezogen in einer selbst gebauten Holzhütte von seiner eigenen Hände Arbeit. Geschrieben hat er die aus Tagebuchnotizen entstandenen Essays für Zeitgenossen, die nicht glauben konnten, dass ihn in der Wildnis weder Angst noch Einsamkeit quälten. Im Gegenteil spricht aus seinem kontemplativen Leben das pure Glück. Man möchte ihm nur manchmal zurufen: Wenn du erst 2010 erlebt hättest …! Aber vermutlich hätte er ähnliche Konsequenzen gezogen.

“Im ersten Sommer las ich nicht, ich hackte meine Bohnen. Aber nein, oft hatte ich auch Besseres zu tun. Es gab Zeiten, wo ich die Blüte des gegenwärtigen Augenblicks keiner körperlichen oder geistigen Tätigkeit zu opfern vermochte. Ich liebe es, meinem Leben einen weiten Spielraum zu lassen. Im Sommer saß ich nach dem täglichen Bad manchmal von Sonnenaufgang bis Mittag in Träumereien versponnen zwischen Tannen, Walnuß- und Sumachbäumen vor meiner Tür in der Sonne. Einsamkeit und Stille waren vollkommen. Vögel sangen in der Runde oder glitten lautlos durchs Haus. Erst wenn die Sonne durch das Westfenster hereinfiel oder ein Reisewagen auf der fernen Landstraße vorüberrollte, erinnerte ich mich daran, wie die Stunden verfolgen. Die Zeiten waren nutzbringender als jede Arbeit, ich wuchs dann wie das Korn bei Nacht” (S. 110-111).

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Traum und Poesie

Oktober6

Träume und Dichtergebilde sind eng miteinander verschwistert,
Beide lösen sich ab oder ergänzen sich still,
Aber sie wurzeln nicht bloß im tiefsten Bedürfnis der Seele,
Nein, sie wurzeln zugleich in dem unendlichen All.
In die wirkliche Welt sind viele mögliche andre
Eingesponnen, der Schlaf wickelt sie wieder heraus,
Sei es der dunkle der Nacht, der alle Menschen bewältigt,
Sei es der helle des Tags, der nur den Dichter befällt,
Und so treten auch sie, damit das All sich erschöpfe,
Durch den menschlichen Geist in ein verflatterndes Sein.

Friedrich Hebbel

Der Ring des Nibelungen

September28

Voller Musik bin ich noch immer, nachdem ich in den letzten Tagen Wagners Ring des Nibelungen gesehen habe, den das Freiburger Theater zu seinem 100-jährigen Jubiläum komplett aufführte. Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung innerhalb einer knappen Woche.  „So viel Bayreuth war selten an der Dreisam“, kündigte die Presse an – und Recht hatte sie.

Für mich war es das Operndebüt. Gereizt hat mich Wagners Musik, gepackt haben mich Stoff und Text aber schließlich genauso sehr.  Schon beim Auftritt der Rheintöchter mit ihren sprechenden Namen Wellgunde, Floßhilde und Woglinde war klar – das wird unterhaltsam und längst nicht so ernst und schwer, wie man von Oper denken mag („Mime, du Memme!“).

Zumal die Geschichte hochmodern ist:  Alles dreht sich um Kapital und Macht. Zwerg Alberich klaut das Rheingold (der „Hort des Nibelungen“) und schmiedet sich daraus einen Ring, der ihm die Weltherrschaft verspricht. Gott Wotan nimmt dem Angeberzwerg den Ring ab, muss ihn aufgrund vertraglicher Verpflichtungen aber seinerseits den Riesen überlassen. Da Alberich den Ring noch schnell verflucht  hat, gibt es im Weiteren  reichlich Unheil und Verwirrung. Ein Ring und viele Todesfälle sozusagen. Denn die Gegenspieler Wotan und Alberich, die nun beide Reichtum und Macht wiedererlangen wollen, geben dieses Ziel an ihre eigens dafür gezeugten Nachkommen weiter (Sigmund, seinerseits Vater von Siegfried, dem Drachentöter, und Hagen), die an diesem Familienerbe jeweils schwer zu tragen haben.

Am Freiburger Theater wurde bewusst ein „Ring ohne Magie“ inszeniert.  Obwohl das Stück vor Göttern, Zwergen, Riesen, Nymphen etc. wimmelt, wurden diese Wesen vor allem in ihren menschlichen Dimensionen dargestellt.  Diese psychologische Betrachtung passte gut, da sie tatsächlich zutiefst menschlichen Motiven folgen: Macht, Liebe, Neid, Rache etc. Besondere Bedeutung wurde darüber hinaus den Familienkonstellationen und Generationenkonflikten zugemessen.  So rückten alle wichtigen Figuren automatisch näher an die Zuschauer.

Manchmal hätte ich mir jedoch ein bisschen heroische Distanz gewünscht.  Zum Beispiel beim Auftritt der  Walküren, deren Aufgabe es ist, als amazonenhafte Geisterfrauen die Seelen gefallener Helden nach Walhall zu bringen. Brünnhilde und die Walküren sind aber eben auch Töchter des Gottes Wotan (Odin). Folglich traten sie in Freiburg nicht als gerüstete Frauen, sondern als Mädchen mit blonden Zöpfen auf.

Insgesamt also eine moderne Inszenierung. Das erkennt man vor allem daran, dass viel in Unterwäsche gesungen wurde.  Einen visuellen Eindruck gibt es hier. Da hätte ich mir manchmal ein bisschen mehr Heldenpathos  und Mystik  gewünscht, um der Imagination mehr Freiraum zu lassen.

Aufschlussreich sind bei einem solchen Event auch die Zuschauerreaktionen. So reichlich die Sänger und Musiker mit Applaus bedacht wurden, so unüberhörbar blieben die Buh-Rufe beim Auftritt der Dramaturgen. Entsprechend rege wurde die Inszenierung in den Pausen diskutiert, obwohl man sich bei solchen Mammutsitzungen natürlich auch um sein leibliches Wohl kümmert.  Dennoch bleibt man eingesponnen in den (sprachlichen) Kosmos dieser Welt, wie folgender Dialog zeigt, den ich vor der Getränketheke auffing:

„Norbert, was machst du?“ – „Ich stehe in der Schlange und harre!“

Ich harre jetzt auch, nämlich der Nibelungenmusik, die ich mir zum Nachhören bestellt habe, und ziehe damit mein Fazit nach 16 Stunden Oper: Ich will tatsächlich mehr.

… und herzlichen Dank mal wieder an Anke Gröner, die mit ihren wiederholten Opernberichten meine Neugier zusätzlich schürte.

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