Esther Grau

inspired by dreams

Buchextrakt (29) Volker Surmann: Lieber Bauernsohn als Lehrerkind

Mai15

Eine Kindheit auf dem Land ist Idylle – eine Jugend auf dem Land die Hölle.

Der Berliner “Multifunktionssatiriker” und Autor Volker Surmann, ein Kind der Siebziger,  plaudert über seine wilden westfälischen Jugendjahre am Fuß des Teutoburger Waldes. Seine empfindsame Seele hatte im bodenständigen Umfeld ziemlich zu kämpfen. Zum Beispiel in der ersten Fahrstunde, die direkt im Graben endete, weil der Fahrlehrer nicht fassen konnte, dass der Bauernsohn wirklich noch nicht fahren konnte.  Die ersten lyrischen Ergüsse stießen ebenfalls auf unerwartete Publikumsreaktionen.

Achtung: In den Geschichten sterben viele (niedliche) Tiere und manche Träume, aber nie das tragikomische Moment.

Man merkt dem Buch zwar an, dass es auf verschiedenen Stand-up-Nummern basiert, aber darüber kann man hinweglachen.

Wer Buddenbohms Geschichten aus Nordostwestfalen mag, ist mit diesem “Heimatbuch” jedenfalls gut beraten.

“Landwirtschaft und ich, das hatten mich Lünkenschroths Apfelbaum der Erkenntnis und die Ingrid-Marien-Erscheinung auf der Kühlerhaube gelehrt, wir passten einfach nicht zusammen.

Ich war juveniler Literat und Poet, kein Bauer! Ich interessierte mich für Literatur, Politik und Sinnfragen, die über den Horizont des eigenen Ackers hinausreichten! Ich verschrieb mich der Schülerzeitung und kirchlicher Jugendarbeit, und mein Vater tolerierte all diese Eskapaden mit westfälischem Gleichmut.

Schwerer war für ihn mein Coming-out zu verkraften. Denn mit fünfzehn musste ich mir und meinen Eltern eingestehen, dass ich Pollenallergiker war. Ich, ein Bauernsohn – mit Heuschnupfen. Und zwar ausgerechnet und allergologisch beglaubigt, gegen Gräser und Getreide. Ich bin bis heute fest davon überzeugt, dass mein Heuschnupfen meine Familie mehr getroffen hat als später mein echtes Coming-out. Schlimmer wäre wohl nur noch eine Laktose-Intoleranz gewesen.” (S. 24)


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