Esther Grau

inspired by dreams

Loriot erzählt Richard Wagners Ring des Nibelungen

Oktober18

Als kleinen Nachtrag zu dem fantastischen Erlebnis der Nibelungensage habe ich mir die Doppel-CD mit  Loriots augenzwinkernder Nacherzählung von Wagners Ring des Nibelungen gegönnt. Untermalt werden seine Ausführungen von Hörbeispielen der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Herbert von Karajan. Ein musikalisches Best of (nur leider ohne den Walkürenritt, der war Loriot wohl schon zu bekannt …), das die Oper sinnvoll kürzt.

Die Idee zu diesem Projekt entstand bereits in den 80er Jahren, als man die Handlung noch nicht mal eben bei Wikipedia nachschlagen konnte. Opernliebhaber Loriot wollte den Ring gerne einem breiteren Publikum zugänglich machen. Anfang der 90er tourte er deshalb mit seinem Programm „Der Ring an einem Abend“ durch die Theater. Die amüsante Kurzfassung macht das oft als schwer verdaulich empfundene 4-Gänge-Menü zu einem ebenso meisterlichen wie appetitanregenden Imbiss.

Kleines Beispiel:

“Das Rheingold, der erste Teil der Tetralogie, beginnt in jener vorgeschichtlichen Zeit, als es noch möglich war, im Rhein zu baden. Getragen von 136 Takten in Es-Dur versinken wir über den Grund des Flusses an den Ursprung der Welt.  [Musik: Vorspiel]

Mit dem plötzlichen Auftauchen der Rheintöchter, drei unbekleideten, passionierten Schwimmerinnen, ist das Ende der Unschuld vorprogrammiert. Das bekannte Gesangstrio singt ebenso gut unter wie über Wasser und hört auf die Künstlernamen Woglinde, Wellgunde, Floßhilde. Unverantwortlicherweise sind die Damen mit der Bewachung eines hochbrisanten Wertobjektes, des sogenannten Rheingoldes, betraut, ohne im Mindesten hierfür geeignet zu sein. Sie lassen sich vor Ort ansprechen von einem gewissen Alberich aus Nibelheim. Die Damen wittern willkommene Kurzweil und treiben mit dem zwergenwüchsigen Voyeur ein aufreizendes, übles Spiel, wobei sie seinen Stolz als Liebhaber empfindlich verletzen. Schließlich geben sie in Kicherlaune auch noch das Betriebsgeheimnis preis: Maßlose Macht über die Welt fällt demjenigen zu, der das Rheingold zu einem Ring zu schmieden vermag und dafür zeitlebens auf Liebe verzichtet. Kein Wunder, Alberich fühlt sich ohnehin um den erotischen Erfolg betrogen und greift stattdessen nach der Weltmacht. Er flucht auf die Liebe, raubt das Gold und verschwindet in Richtung Nibelheim. Das Unheil nimmt seinen Lauf …

Wenn die Rheintöchter  – sagen wir mal – etwas entgegenkommender gewesen wären, hätte man sich drei weitere, aufwendige Opern sparen können. Das sollte zu denken geben.”

Hörproben gibt es hier.

Für Opernanfänger wie mich, aber sicher auch für Wagnerliebhaber und Loriotfreunde ein großes Vergnügen. Mit dem Libretto in der Hand wird es der perfekte Hörgenuss.



Der Ring des Nibelungen

September28

Voller Musik bin ich noch immer, nachdem ich in den letzten Tagen Wagners Ring des Nibelungen gesehen habe, den das Freiburger Theater zu seinem 100-jährigen Jubiläum komplett aufführte. Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung innerhalb einer knappen Woche.  „So viel Bayreuth war selten an der Dreisam“, kündigte die Presse an – und Recht hatte sie.

Für mich war es das Operndebüt. Gereizt hat mich Wagners Musik, gepackt haben mich Stoff und Text aber schließlich genauso sehr.  Schon beim Auftritt der Rheintöchter mit ihren sprechenden Namen Wellgunde, Floßhilde und Woglinde war klar – das wird unterhaltsam und längst nicht so ernst und schwer, wie man von Oper denken mag („Mime, du Memme!“).

Zumal die Geschichte hochmodern ist:  Alles dreht sich um Kapital und Macht. Zwerg Alberich klaut das Rheingold (der „Hort des Nibelungen“) und schmiedet sich daraus einen Ring, der ihm die Weltherrschaft verspricht. Gott Wotan nimmt dem Angeberzwerg den Ring ab, muss ihn aufgrund vertraglicher Verpflichtungen aber seinerseits den Riesen überlassen. Da Alberich den Ring noch schnell verflucht  hat, gibt es im Weiteren  reichlich Unheil und Verwirrung. Ein Ring und viele Todesfälle sozusagen. Denn die Gegenspieler Wotan und Alberich, die nun beide Reichtum und Macht wiedererlangen wollen, geben dieses Ziel an ihre eigens dafür gezeugten Nachkommen weiter (Sigmund, seinerseits Vater von Siegfried, dem Drachentöter, und Hagen), die an diesem Familienerbe jeweils schwer zu tragen haben.

Am Freiburger Theater wurde bewusst ein „Ring ohne Magie“ inszeniert.  Obwohl das Stück vor Göttern, Zwergen, Riesen, Nymphen etc. wimmelt, wurden diese Wesen vor allem in ihren menschlichen Dimensionen dargestellt.  Diese psychologische Betrachtung passte gut, da sie tatsächlich zutiefst menschlichen Motiven folgen: Macht, Liebe, Neid, Rache etc. Besondere Bedeutung wurde darüber hinaus den Familienkonstellationen und Generationenkonflikten zugemessen.  So rückten alle wichtigen Figuren automatisch näher an die Zuschauer.

Manchmal hätte ich mir jedoch ein bisschen heroische Distanz gewünscht.  Zum Beispiel beim Auftritt der  Walküren, deren Aufgabe es ist, als amazonenhafte Geisterfrauen die Seelen gefallener Helden nach Walhall zu bringen. Brünnhilde und die Walküren sind aber eben auch Töchter des Gottes Wotan (Odin). Folglich traten sie in Freiburg nicht als gerüstete Frauen, sondern als Mädchen mit blonden Zöpfen auf.

Insgesamt also eine moderne Inszenierung. Das erkennt man vor allem daran, dass viel in Unterwäsche gesungen wurde.  Einen visuellen Eindruck gibt es hier. Da hätte ich mir manchmal ein bisschen mehr Heldenpathos  und Mystik  gewünscht, um der Imagination mehr Freiraum zu lassen.

Aufschlussreich sind bei einem solchen Event auch die Zuschauerreaktionen. So reichlich die Sänger und Musiker mit Applaus bedacht wurden, so unüberhörbar blieben die Buh-Rufe beim Auftritt der Dramaturgen. Entsprechend rege wurde die Inszenierung in den Pausen diskutiert, obwohl man sich bei solchen Mammutsitzungen natürlich auch um sein leibliches Wohl kümmert.  Dennoch bleibt man eingesponnen in den (sprachlichen) Kosmos dieser Welt, wie folgender Dialog zeigt, den ich vor der Getränketheke auffing:

„Norbert, was machst du?“ – „Ich stehe in der Schlange und harre!“

Ich harre jetzt auch, nämlich der Nibelungenmusik, die ich mir zum Nachhören bestellt habe, und ziehe damit mein Fazit nach 16 Stunden Oper: Ich will tatsächlich mehr.

… und herzlichen Dank mal wieder an Anke Gröner, die mit ihren wiederholten Opernberichten meine Neugier zusätzlich schürte.

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